KAPITEL 6

1. Habt acht auf eure Gerechtigkeit, dass ihr sie nicht vor den Menschen übt, um von ihnen gesehen zu werden! Sonst habt ihr keinen Lohn bei eurem Vater, der in den Himmeln ist.

2. Wenn du nun Almosen gibst, sollst du nicht vor dir her posaunen lassen, wie die Heuchler tun in den Synagogen und auf den Gassen, damit sie von den Menschen geehrt werden. Wahrlich, ich sage euch, sie haben ihren Lohn schon empfangen.

Die Arten des Almosengebens (zdakah) wurden in vier Stufen unterteilt:

1. Die niedrigste Stufe war, wenn der Geber den Empfänger kennt und der Empfänger den Geber. Diese Art des Gebens wurde als eine große Unannehmlichkeit für die arme Person angesehen.

2. Die zweite Stufe ist, wenn der Geber den Empfänger kennt und der Empfänger den Geber nicht kennt. Dem Talmud zufolge kann dies zur Arroganz führen.

3. Die dritte Stufe ist, wenn der Geber den Empfänger nicht kennt und der Empfänger den Geber kennt. Dies, so der Talmud, kann zu vielen Problemen führen, wie Fluchen oder, im Gegenteil, übermäßige Verehrung.

4. Die vierte (die höchste Stufe des Almosengebens) ist die Art und Weise, in der der Geber und der Empfänger nichts voneinander wissen.

Es hat immer Menschen gegeben, die bereit waren, diese Hilfe zu vermitteln, um sicherzustellen, dass die zdakah auf dieseWeise gegeben wird. Jeschua bekräftigt einerseits das hohe moralische Niveau dieses Ansatzes, fordert seine Zuhörer aber andererseits auf, ein Niveau zu erreichen, bei dem ein Vermittler unnötig ist.

Im Traktat Hagigah 5a diskutieren die Weisen das Buch Kohelet: „Denn Gott wird jedes Werk vor ein Gericht bringen, samt allem Verborgenen“. „Was bedeutet der Satz: alles Verborgene?“ – stellt Talmud die Frage. Rav gibt ein Beispiel: „Es ist wie bei einem Menschen, der ein Insekt vor den Augen seines Nächsten tötet, so dass es dem Nächsten unangenehm ist, aber er zeigt es nicht. Für ein solches Vergehen wird er zur Rechenschaft gezogen“. Schmuel sagt: „Es ist, wenn jemand seinem Nächsten beim Sprechen Speichel ins Gesicht spuckt, so dass es ihm unangenehm ist, aber er schweigt“. Und Rabbi Janaj sagt: „Es ist, wenn jemand in der Öffentlichkeit Almosen gibt“. Der Talmud berichtet, dass Rabbi Janaj einmal einen Mann sah, der öffentlich Almosen gab, und zu ihm sagte: „Es wäre besser für dich gewesen, überhaupt keine Almosen zu geben, als jetzt, wo du sie öffentlich gegeben hast“.

Sie haben ihren Lohn schon empfangen – der Midrasch Raba erzählt die Geschichte von Rabbi Abahu, der im Sterben lag und dem alle Belohnungen, die für ihn vorbereitet waren, offenbart wurden, und eine Stimme verkündete: „All dies ist für Abahu“. Sofort wünschte er sich den Tod und begann, den Vers zu rezitieren: „Wie groß ist Deine Güte, die Du bereithältst denen, die Dich fürchten, und erweisest vor den Menschen denen, die auf Dich trauen!“

Das lehrt uns, dass die Gerechten nicht nach sofortiger Belohnung trachten, sondern beim Allerhöchsten bleiben, um sich auf die Belohnung in der kommenden Welt vorzubereiten, wie geschrieben steht: „So sollst du das Gebot und die Ordnungen und die Rechtsbestimmungen halten, die zu tun Ich dir heute befehle“. Jetzt zu erfüllen, um in der kommenden Welt Lohn zu erhalten.

3. Wenn du aber Almosen gibst, so soll deine Linke nicht wissen, was deine Rechte tut;

Es gab ein Verständnis, demzufolge es als durchaus akzeptabel galt, Segen im Austausch für die Erfüllung des Gebots der Zdakah (Wohltätigkeit) zu suchen. Der Talmud sagt: „Derjenige, der sagt: „Möge es meinem Sohn gut gehen, als Verdienst dafür, dass ich dieses Almosen gebe“ – ist vollkommen rechtschaffen“ (d. h. seine Bitte ist vollkommen rechtschaffen). Jeschua hingegen mahnt selbst in seinem Inneren (zwischen Mensch und Gott), keinen Nutzen aus dem Almosengeben zu ziehen. Das Wort zdakah (Almosen) bedeutet Gerechtigkeit, und impliziert ein gerechtes Geben. Daher kann keine Belohnung für die Abgabe von zdakah verlangt werden.

4. damit dein Almosen im Verborgenen ist, und dein Vater, der im Verborgenen sieht, wird dir vergelten.

Midrasch spricht von der Macht Gottes, das Verborgene zu entdecken und öffentlich zu vergelten: „Und die Ägypter drängten das Volk, sie so schnell wie möglich aus dem Land zu schicken – in Panik forderten sie sie auf, so schnell wie möglich zu gehen, indem sie sagten: „Wir werden alle sterben“. Und einige von ihnen sagten: „Das ist strenger als Mosches Urteil, denn er sagte, dass nur die Erstgeborenen sterben würden, aber wir alle sterben“. Denn diese Leute dachten, wenn sie fünf Kinder hätten, wäre nur eines von ihnen der Erstgeborene, und nur er würde sterben. Aber ihre Frauen sündigten in Unzucht und bekamen Kinder mit unverheirateten jungen Männern, so dass in manchen Familien jedes der Kinder der Erstgeborene eines anderen war. Und da Gott die heimlichen Dinge sah, vergelte Er es ihnen offen. Und wenn es eine solche Vergeltung für unreine und sündige Taten wie Unzucht gibt, wie viel mehr gilt das für gerechte Taten. Darüber ist im Buch Mischlej geschrieben: „Eine heimliche Gabe stillt den Zorn“.

5. Und wenn du betest, sollst du nicht sein wie die Heuchler; denn sie stellen sich gern in den Synagogen und an den Straßenecken auf und beten, um von den Leuten bemerkt zu werden. Wahrlich, ich sage euch: Sie haben ihren Lohn schon empfangen.

Man kann die Verurteilung derjenigen Menschen verstehen, die in der Öffentlichkeit an Straßenecken beten, aber die Synagoge ist ja eigentlich für das Gebet gedacht. Und wenn man sich nicht in Gefahr befindet oder auf einer Reise ist, ist es in der Tat besser, zum Gebet anzuhalten. Offenbar handelt es sich um die Tradition, beim Übergang von Straße zu Straße oder beim Betreten und Verlassen eines Gebäudes anzuhalten und zu beten. Dieser Brauch „zeichnete“ die frommen Menschen aus.

Im Traktat Brachot 28b wird die Geschichte von Rabbi Nehunia ben Hakna erzählt, der beim Betreten und Verlassen der Synagoge innehielt, um zu beten. Und hier ist das Gebet, das er betete, als er hinausging und an der Straßenecke stehen blieb: „Ich danke dir, Herr, dass du mir Anteil gegeben hast unter denen, die im Lehrhaus sitzen, und nicht unter denen, die an den Straßenecken sitzen; denn ich stehe früh auf und sie stehen früh auf, aber ich stehe früh auf wegen der Worte der Torah. und sie für müßiges Gerede. Ich schufte und sie schuften, aber ich schufte und erhalte Lohn, und sie schuften und erhalten keinen Lohn. Ich laufe und sie laufen, aber ich laufe in das Leben der kommenden Welt, und sie laufen in die Grube des Verderbens“.

Dieses Gebet enthielt eine Erhöhung über die Menschen, vor denen es (teils zur Schau) gesprochen wurde. Es ist wahrscheinlich, dass Jeschua solche Gebete verurteilt, indem er sagt, dass die Befriedigung durch die Erhöhung über andere, der Wunsch, sich vor den Menschen zu zeigen, gibt dem Menschen bereits eine Belohnung und beraubt ihn seiner Belohnung im zukünftigen Leben.

6. Du aber, wenn du betest, geh in dein Kämmerlein und schließe deine Türe zu und bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist; und dein Vater, der ins Verborgene sieht, wird es dir öffentlich vergelten.

Der Midrasch Tanhuma (Waera 9) sagt: „So sprach der Heilige, gesegnet ist Sein Name: „Wenn ein Mensch in der Ecke seines Hauses (versteckt) sitzt und Torah lehrt, werde Ich seine (Verdienste) den Geschöpfen offen und deutlich zeigen. Und wenn ein Mensch sich verbirgt, um den Götzen zu dienen, so will Ich den Geschöpfen seine (Schande) zeigen, wie geschrieben steht: „Oder kann sich jemand in Schlupfwinkeln verbergen, und Ich, Ich sähe ihn nicht?, spricht der HERR. Bin Ich es nicht, der den Himmel und die Erde erfüllt?, spricht der HERR“.

7. Und wenn ihr betet, sollt ihr nicht plappern wie die Heiden; denn sie meinen, sie werden erhört um ihrer vielen Worte willen.

8. Darum sollt ihr ihnen nicht gleichen! Denn euer Vater weiß, was ihr benötigt, ehe ihr ihn bittet.

Die Mehilta berichtet: „Da schrie er zum Herrn, und der HERR zeigte ihm einen Baum“. Daraus können wir entnehmen, dass die Gerechten leicht die Antwort auf ihre Gebete erhalten und dass das Gebet eines Gerechten kurz ist. Die Geschichte von Rabbi Elazars Jüngern, die jemanden sahen, der ein sehr kurzes Gebet betete, und sie sagten zu Rabbi Elazar: „Lehrer, hast du gesehen, wie kurz er betet?“ Und sie verspotteten ihn und sagten: „Das ist ein Weiser-Reduzierer“. Und Rabbi Elazar sagte zu ihnen: „Dieser weise Mann betete nicht kürzer als Mosche, der sagte: „O Gott, ich flehe dich an, heile sie!

Im Traktat Sota wird erzählt, wie die Juden stiegen ins Meer und es gab einen Streit zwischen ihnen. Und Mosche stand zu dieser Stunde in einem langen Gebet. Der Allerhöchste sagte zu ihm: „Meine Freunde gehen zugrunde, und du betest wortreich?“ Mosche sagte zu Ihm: „Herr der Welt, was soll ich tun?“ Und der Herr sprach zu Mosche: „Warum schreist du zu mir? Sag den Kindern Israels, sie sollen aufbrechen. Du aber erhebe deinen Stab und strecke deine Hand über das Meer aus und spalte es, damit die Söhne Israel auf trockenem Land mitten in das Meer hineingehen!

9. Betet ihr nun so: Unser Vater, der du bist in den Himmeln, geheiligt werde dein Name;

10. dein Reich komme; dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auch auf Erden!

11. Unser tägliches Brot gib uns heute;

12. Und vergib uns unsere Schulden, wie auch wir vergeben unseren Schuldnern;

13. und führe uns nicht in Versuchung, sondern rette uns von dem Bösen! Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit! Amen

Betet ihr nun so: Unser Vater, der du bist in den HimmelnUnserVater im Himmel – eine für die damalige Zeit sehr traditionelle Anredeform. Der Midrasch Elijahu Raba zitiert das Gebet des Propheten Amos: „Dein Name soll verherrlicht werden für immer, oh unser himmlischer Vater, mögest Du zufrieden sein mit dem Volk Israel für immer!“

Geheiligt werde dein Name – dieser Satz ist auch Teil vieler Gebete, die in jener Zeit und bis heute üblich sind. So beginnt das Kaddisch-Gebet, das zur Verherrlichung der Heiligkeit des Namens Gottes und zum Ausdruck der Sehnsucht nach Erlösung verfasst wurde, mit den gleichen Worten: „Sein großer Name werde erhoben und geheiligt in der Welt, die Er nach Seinem Willen erschaffen hat. Er gründe Sein Königreich und lasse die Erlösung wachsen; und möge Er das Kommen Seines Maschiach beschleunigen in eurem Leben und in euren Tagen und im Leben des ganzen Hauses Israel, bald und in naher Zeit, und sprecht: Amen! Sein großer Name sei gelobt für immer und für alle Ewigkeit! Gelobt und gepriesen, verherrlicht und erhoben, erhöht und gefeiert, hoch erhoben und gesungen sei der Name des Heiligen, gelobt sei Er! Erhaben über allem Lob und Gesang, Preisung und Trostworten, die in der Welt gesprochen werden, und sprechet: Amen!

Der Midrasch lehrt: „Wie können wir sagen: „Geheiligt werde Dein Name?“ Denn was könnte heiliger sein als Sein Name, und welcher Heiligung bedarf Er? Aber mit diesem Gebet meinen wir, dass Sein Name in uns geheiligt wird, dass wir durch unsere Heiligkeit der Welt Zeugnis von Seiner Heiligkeit geben, wie es geschrieben steht: „Seid heilig, denn ich bin heilig“.

Dein Reich komme; dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auch auf Erden – hier, wie auch im Kaddisch, von dem wir bereits gesprochen haben, das Gebet für das Königreich impliziert eine Bitte um die Thronbesteigung von König Maschiach auf dem Thron Davids. So wird es z.B. im aramäischen Targum des Buches Micha 4, der Vers 8: „Und du, Herdenturm, du Hügel der Tochter Zion, zu dir wird gelangen und zu dir wird kommen die frühere Herrschaft, das Königtum der Tochter Jerusalem“, so übersetzt: „Du aber, der Maschiach Israels, der vor den Tagen der Vorzeit verborgen war, dir ist bestimmt, zu kommen und das Reich aufzurichten, wie es vor der Erschaffung der Welt war, nachdem er sich hingesetzt hatte, in die Gemeinde Israels eintretend und sitzend auf dem Thron des Reiches der Gemeinde Israels“.

Unser tägliches Brot gib uns heute – hier sehen wir eine Parallele zu Mischlej 30,8: „Gehaltloses und Lügenwort halte von mir fern! Armut und Reichtum gib mir nicht, nähr mich mit dem Brot, das mir nötig ist“. Das Wort, das wir im Original mit nähr mich (hatrifeni) übersetzen, kann mit lass mich beschaffen, lass mich schnappen, lass zufrieden sein verstanden werden.

Der Talmud berichtet: „Und siehe, ein abgerissenes Olivenblatt wurde von seinem Schnabel erfasst (das Wort, das hier verwendet wird, ist das gleiche Wort, das im Buch Mischlej mit nähren übersetzt wird. (Bereschit 8). Die Taube sagte vor dem Heiligen: „Herr der Welt, lass meine Nahrung bitter sein, aber aus deinen Händen genommen, statt süß und aus den Händen der Geschöpfe empfangen“.

Dort (in Bereschit 8) steht geschrieben: teref, und dort (Mischlej 30) steht geschrieben: atrifeni (Iruwin 18). Deshalb muss jeder Mensch wie eine Taube darum bitten, dass sein Lebensunterhalt in den Händen Gottes und allein in Ihm liegt und nicht von den Menschen abhängt“ (Psikta Huta Bereschit 8:11).

Und vergib uns unsere Schulden, wie auch wir vergeben unseren Schuldnern – Sirach schreibt, indem er seinen Sohn belehrt: „Vergib deinem Nächsten die Missetat, so werden dir durch dein Gebet deine Sünden vergeben werden. Ein Mensch zürnt gegen einen Menschen aber bittet den Herrn um Vergebung; er hat kein Erbarmen mit einem Menschen wie ihm und betet aber für seine Sünden; er selbst, der er Fleisch ist, hegt Bosheit; wer wird seine Sünden reinigen?“

Und führe uns nicht in Versuchung, sondern rette uns von dem Bösen! Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit! Amen – Bitten um Befreiung von Versuchungen und Erlösung sind ein fester Bestandteil vieler jüdischer Gebete. Eine Formulierung, die dieser sehr ähnlich ist, wird vom Gaon Amram in der Liste der Segenssprüche, die am Morgen gesprochen werden (Birkot haSchahar), gegeben:

„Möge es Dein Wille sein, unser Gott und der Gott unserer Väter, mich in Deiner Torah zu unterweisen und mich an Deine Gebote zu halten, und führe mich nicht in Sünde und Versuchung, und erlöse mich vom bösen Trieb und halte mich am guten Trieb fest…“

14. Denn wenn ihr den Menschen ihre Vergehungen vergebt, so wird euer himmlischer Vater auch euch vergeben;

15. wenn ihr aber den Menschen nicht vergebt, so wird euer Vater eure Vergehungen auch nicht vergeben.

16. Wenn ihr aber fastet, so seht nicht düster aus wie die Heuchler! Denn sie verstellen ihre Gesichter, damit sie den Menschen als Fastende erscheinen. Wahrlich, ich sage euch, sie haben ihren Lohn weg.

Hier spricht Jeschua über die mit dem Fasten verbundenen Bräuche. Neben dem Fasten am Jom Kippur gab es öffentliche Fasten bei Seuchen und Dürre sowie persönliche Fasten, gewöhnlich am Montag und Donnerstag sowie am Vorabend des neuen Monats. Während dieser Fastenzeiten war das Waschen des Gesichts, der Hände und der Füße erlaubt. Auch die Salbung mit Öl war nicht verboten. Zur gleichen Zeit gab es einen Brauch, nach dem eine Person sich weigerte, sich zu waschen und zu salben, weil das Wesen des Fastens ist die Qual des Fleisches. Jeschua sagt hier, dass diese Tradition dazu führt, dass ein Mensch versucht, sich selbst als rechtschaffen darzustellen, um alle um ihn herum wissen zu lassen, dass er fastet. Jeschua verurteilt diesen Ansatz, indem er das Fasten ausschließlich auf die Beziehung zwischen Mensch und Gott überträgt, um eine Selbsterhöhung zu vermeiden.

17. Du aber, wenn du fastest, so salbe dein Haupt und wasche dein Angesicht,

18. damit es nicht von den Leuten bemerkt wird, dass du fastest, sondern von deinem Vater, der im Verborgenen ist; und dein Vater, der ins Verborgene sieht, wird es dir öffentlich vergelten.

19. Sammelt euch nicht Schätze auf der Erde, wo Motte und Fraß zerstören und wo Diebe durchgraben und stehlen

Sammelt euch nicht Schätze auf der Erde – Hebräisches Wortspiel: al ta’azru ozarot ba arez.

Wo Motte und Fraß zerstören und wo Diebe durchgraben und stehlen – der Midrasch erzählt folgende Geschichte: „König Monbas gab während zweier Trockenperioden sein ganzes Vermögen aus, um den Armen zu helfen. Seine Brüder und die Verwandten seines Vaters fingen an, ihn zu tadeln und sagten: „Die Väter deiner Väter haben Reichtümer gesammelt, und deine Väter haben immer mehr dazugetan, und jetzt hast du beschlossen, alles zu verschwenden?“ Er aber antwortete ihnen: „Die Väter sammelten unten, ich aber habe oben gesammelt, wie geschrieben steht: „Wenn die Wahrheit aus der Erde wächst, kommt die Gerechtigkeit vom Himmel.“ Die Väter sammelten dort, wo Diebe stehlen können, ich aber habe dort gesammelt, wo Diebe nicht stehlen können, wie geschrieben steht: „Gerechtigkeit und Recht sind deines Thrones Grundfeste“. Meine Väter sammelten Schätze, die keine Frucht tragen, ich aber habe Schätze gesammelt, die Frucht tragen, wie geschrieben steht: „Wohl den Gerechten, die gut sind! Denn sie werden die Frucht ihrer Werke genießen“. Meine Väter haben Geld gesammelt, ich habe Seelen gesammelt, wie geschrieben steht: „Und der Weise zieht Seelen an“. Meine Väter sammelten für andere, ich aber habe für mich selbst gesammelt, wie geschrieben steht: „Und es soll dir als Gerechtigkeit angerechnet werden vor dem Herrn, deinem Gott“. Die Väter sammelten für diese Welt, ich aber habe für die kommende Welt gesammelt, wie geschrieben steht: „Und deine Gerechtigkeit (zdakah) wird vor dir hergehen, und die Herrlichkeit des Herrn wird dich begleiten“.

20. sammelt euch aber Schätze im Himmel, wo weder Motte noch Fraß zerstören und wo Diebe nicht durchgraben noch stehlen!

21. Denn wo dein Schatz ist, da wird auch dein Herz sein.

22. Die Lampe des Leibes ist das Auge; wenn nun dein Auge klar ist, so wird dein ganzer Leib licht sein;

23. wenn aber dein Auge böse ist, so wird dein ganzer Leib finster sein. Wenn nun das Licht, das in dir ist, Finsternis ist, wie groß wird dann die Finsternis sein!

„Das Auge“ wurde oft als Metapher verwendet, um die Einstellung einer Person zu einem Geschäft oder einer Spende zu definieren. Zum Beispiel war die Truma (das Hebeopfer, das den Priestern dargebracht wurde) beajn yafa (mit einem guten Auge) – in der Größe von 1/40 von allem, in der Größe von 1/50 – beajn bejnonit (mit einem durchschnittlichen Auge) und in der Größe von 1/60 von allem – beajn raa (mit einem bösen Auge). Ebenso gab es unterschiedliche Vorgehensweisen für das Verkaufsgeschäft. Die Weisen des Talmuds erörtern zum Beispiel einen Fall, in dem jemand verkauft ein Feld, schließt aber eine Grube auf diesem Grundstück nicht in den Deal ein. Die Weisen fragen, ob der Verkäufer den Weg zur Grube vom Käufer kaufen muss. Rabbi Akiwa vertritt die Ansicht, dass der Verkäufer die beajn yafa verkauft, also impliziert er zum Zeitpunkt der Transaktion, dass auch der Weg zur Grube in den Verkauf einbezogen ist. Die Weisen sind der Meinung, dass der Verkäufer beajn raa (geizig) verkauft; wenn er also nicht die Grube verkauft, verkauft er auch nicht den Weg zu ihr. In Bezug auf die Einstellung zum Reichtum und zu finanziellen Werten sagt Jeschua, dass die Einstellung zu Handelsgeschäften und die Einstellung zu finanziellen Fragen im Allgemeinen als Hinweis auf den geistigen Zustand einer Person dienen.

24. Niemand kann zwei Herren dienen; denn entweder wird er den einen hassen und den anderen lieben, oder er wird einem anhängen und den anderen verachten. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon.

In Traktat Bawa Kama wird in der Barajta (Barajta sind alle Schriften, die nicht Teil der Mischna sind) eine Situation erörtert, in der jemand einen Sklaven unter der Bedingung verkauft, dass der Sklave dem Verkäufer nach dem Verkauf noch dreißig Tage lang dient. Der Talmud fragt hier: Wer von den beiden, der Käufer oder der Verkäufer, für die Handlungen des Sklaven verantwortlich ist? Vier möglichen Meinungen werden in Betracht gezogen. Die erste besagt, dass derjenige verantwortlich ist, dem der Sklave tatsächlich gehört, d. h. der Käufer. Die zweite Ansicht ist, dass derjenige, dem der Sklave dient, also der Verkäufer, verantwortlich ist. Drittens: Beide sind verantwortlich, weil dem einen der Sklave gehört, dem anderen dient er. Viertens: Keiner von beiden ist verantwortlich, weil einem gehört er nicht und dem anderen nicht dient. In der Sammlung Midrasch Hatamir wird diese Barajta allegorisch behandelt: dem Sklaven (die Seele) zwei Herren vorgestellt werden: der eine ist derjenige, dem er (die Seele) gehört (der Käufer, der im Gleichnis die weltlichen Güter symbolisiert), und der andere ist derjenige, dem der Mensch dienen soll – der Verkäufer (oder der Schöpfer).

25. Deshalb sage ich euch: Seid nicht besorgt für euer Leben, was ihr essen und was ihr trinken sollt, noch für euren Leib, was ihr anziehen sollt! Ist nicht das Leben mehr als die Speise und der Leib mehr als die Kleidung?

26. Seht hin auf die Vögel des Himmels, dass sie weder säen noch ernten noch in Scheunen sammeln, und euer himmlischer Vater ernährt sie doch. Seid ihr nicht viel wertvoller als sie?

In Fortsetzung der Diskussion über die Wahl zwischen dem Materiellen und dem Göttlichen sagt Jeschua seinen Jüngern, wie sie sich zur täglichen Arbeit verhalten sollen. Die Notwendigkeit der täglichen Arbeit für den Lebensunterhalt wurde auch von den Weisen der Mischna erörtert, und zwar in einer sehr ähnlichen Weise. So lesen wir im Traktat Kiduschin in der letzten Mischna des vierten Kapitels:

„Rabbi Meir sagt: „Für immer soll ein Mann seinen Sohn ein Handwerk lehren, das rein und leicht ist, und er soll zu dem beten, dem aller Reichtum und alle Besitztümer gehören, denn es gibt kein Handwerk, mit dem nicht sowohl Armut als auch Reichtum verbunden sind, denn nicht aus dem Handwerk kommen Armut und Reichtum, sondern alles in der Welt nach dem Maß seines Verdienstes“. Rabbi Schimon, der Sohn von Elazar, sagt: „Hast du in deinem ganzen Leben ein Tier und einen Vogel gesehen, die ein Handwerk hatten? Und sie erhalten ihren Lebensunterhalt ohne Sorge und Kummer! Sie wurden nur geschaffen, um mir zu dienen, ich aber wurde geschaffen, um meinem Herrn zu dienen. Sollte ich also nicht meinen Lebensunterhalt ohne Sorge und Kummer erhalten? Aber die Sache ist, dass ich meine Taten verdorben und meine Nahrung reduziert habe“. Aba Gurjag, der Weise aus Zajdan, sagt im Namen von Aba Gurja: „Ein Mann sollte seinen Sohn nicht das Handwerk eines Eseltreibers, eines Kameltreibers, eines Barbiers, eines Schiffbauers, eines Hirten und eines Ladenbesitzers lehren, denn ihr Handwerk ist ein Räuberhandwerk“. Rabbi Jehuda spricht für ihn: „Die Eseltreiber sind zumeist ungläubig, aber die Kameltreiber sind zumeist redliche Männer, die Schiffbauer sind zumeist frommer als der beste der Ärzte in Gehinom, und der anständigste der Metzger ist Amaleks Gefährte“. Rabbi Nehoraj sagt: „Ich verzichte auf alle Berufe, die es in der Welt gibt, und ich lehre meinen Sohn nichts anderes als die Torah, denn der Mensch ernährt sich von einem Teil der Belohnung für die Torah in dieser Welt, und der Hauptteil wird ihm für die kommende Welt erspart, und die anderen Berufe sind überhaupt nicht so. Wenn ein Mensch krank oder alt oder in Not ist und seine Arbeit nicht mehr tun kann, stirbt er vor Hunger, aber die Torah ist nicht so, sondern sie bewahrt ihn vor allem Übel in seiner Jugend und gibt ihm eine Zukunft und Hoffnung im Alter. Was sagt die Heilige Schrift über die Jugend? „Wer aber auf Gott hofft, wird seine Kraft verlassen“ (Jeschajah, 40:31). Was sagt die Heilige Schrift über das Alter? „Sie tragen Frucht noch im Alter“ (Tehilim 92,15). Und auch von Abraham, unserem Vater, Friede sei mit ihm, heißt es: „Und Abraham war alt, hochbetagt, und der HERR hatte Abraham in allem gesegnet“ (Bereschit 24,1). Wir stellen fest, dass Abraham, unser Vater, erfüllte die gesamte Torah, bevor sie gegeben wurde, denn es heißt (Bereschit, 26:5): „Weil Abraham auf Meine Stimme gehört und weil er auf Meine Anordnungen, Gebote, Satzungen und Weisungen geachtet hat“.

Neben der Wahl des Handwerks, in der Erfüllung der Torah selbst und in dem, was damit verbunden ist, gab es viele zusätzliche Bräuche, entworfen, um das Wohlbefinden zu erhöhen, das Leben zu verlängern, zur Geburt von Kindern zu führen und dergleichen. In vielen Fällen wurde dieses Wissen geheim gehalten.

27. Wer aber unter euch kann mit Sorgen seiner Lebenslänge eine Elle zusetzen?

Im Traktat Kiduschin wird erörtert, inwieweit die Erfüllung der Gebote einem Menschen in seinem weltlichen Schicksal helfen kann. Rabbi Jaakow berichtet: „Es gibt kein Gebot in der Torah, neben dem eine Belohnung liegt und das nicht von der Auferstehung von den Toten abhängt. Über die Ehrung der Eltern steht geschrieben: „Auf, dass eure Tage lang werden und es euch gut geht in dem Land, das der Herr, euer Gott, euch gibt“. Und in Bezug auf das Vogelnest steht es geschrieben: „damit es dir gut geht und du deine Tage verlängerst“.

28. Und warum seid ihr um Kleidung besorgt? Betrachtet die Lilien des Feldes, wie sie wachsen; sie mühen sich nicht, auch spinnen sie nicht.

29. Ich sage euch aber, dass selbst nicht Salomo in all seiner Herrlichkeit bekleidet war wie eine von diesen.

30. Wenn aber Gott das Gras des Feldes, das heute steht und morgen in den Ofen geworfen wird, so kleidet, wird er das nicht viel mehr euch tun, ihr Kleingläubigen?

In vielen Geschichten der Haggada wird König Schlomo mit magischem Wissen ausgestattet. Nach den volkstümlichen Erzählungen verstand er die Sprache der Tiere und Vögel, konnte die Gedanken der Menschen lesen, verfügte über alle magischen Kräfte und konnte Geistern befehlen. Er war einer der reichsten Männer seiner Zeit. Der Midrasch zeigt ihn als einen Mann, der sich Gott widersetzte, indem er erklärte, er könne reich und mit vielen Frauen verheiratet sein und trotzdem nicht arrogant sein. Jeschua führt hier Schlomo als Beispiel dafür an, dass alle möglichen magischen Tricks und unermesslicher Reichtum ihn nicht in die Lage versetzten, mit dem Luxus seiner Kleidung die Blumen des Feldes zu übertreffen. Jeschua zeigt die Vergeblichkeit, sich auf die eigene Kraft, das eigene Wissen, den eigenen Besitz und die Magie zu verlassen, um Sicherheit und materielle Stabilität für den Menschen zu erreichen.

31. So seid nun nicht besorgt, indem ihr sagt: Was sollen wir essen? Oder: Was sollen wir trinken? Oder: Was sollen wir anziehen?

32. Denn nach diesem allen trachten die Nationen; denn euer himmlischer Vater weiß, dass ihr dies alles benötigt.

33. Trachtet aber zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit! Und dies alles wird euch hinzugefügt werden.

Im Buch der Weisheit Schlomos lesen wir: „Da betete ich, und es wurde mir Verstand gegeben; ich schrie, und der Geist der Weisheit kam über mich. Ich zog sie den Zeptern und Thronen vor und betrachtete Reichtum als nichts im Vergleich zu ihr; ich verglich keinen Edelstein mit ihr, denn vor ihr ist alles Gold unbedeutender Sand, und Silber ist Schmutz im Vergleich zu ihr. Ich liebte sie mehr als Gesundheit und Schönheit und zog sie dem Licht vor, denn ihr Licht ist unauslöschlich. Und mit ihr kamen all die guten Dinge zu mir und unermesslicher Reichtum durch ihre Hände“.

Den Midraschim zufolge wurde Schlomo gebeten, zwischen Weisheit, Reichtum und Langlebigkeit zu wählen, und er entschied sich für Weisheit (das Verständnis des göttlichen Planes), und Gott sagte ihm: „Für diese Wahl wird dir sowohl Reichtum als auch Langlebigkeit hinzugefügt werden“.

34. Darum sollt ihr euch nicht sorgen um den morgigen Tag; denn der morgige Tag wird für das Seine sorgen. Jedem Tag genügt seine eigene Plage.

Der Midrasch berichtet, dass Gott, als er sich Mosche im brennenden Busch offenbarte, sagte: „So sollst du zu den Israeliten sagen: Ahjeh (Ich werde sein), der hat mich zu euch gesandt. Dass Ich in diesem Exil und in den anderen drei Exilen bei ihnen bleiben werde“. Mosche sagte zu Ihm: „Hat nicht jedes Leid seine Stunde?“ Und Gott sprach: „Sag zu ihnen: „Der, Der werdet sein, hat mich gesandt“.

Zahlreiche Midraschim lehren den Menschen, sich nicht mit Sorgen zu belasten, und wiederholen diesen Satz von Mosche aus dem Midrasch. Es ist genug, dass der neue Tag kommen wird und es wird Leiden, Sorgen und Bedenken geben. Man sollte nicht schon heute anfangen, mit den Sorgen, dem Leid und den Ängsten des morgigen Tages zu leben.

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