KAPITEL 28

1. Aber nach dem Schabbat, in der Morgendämmerung des ersten Tages der Woche, kam Maria Magdalena und die andere Maria, um das Grab zu besehen.

Im Gegensatz zu den europäischen Sprachen gibt es im Hebräischen und in der jüdischen Tradition keine Bezeichnung für die Wochentage. Sie werden entweder von eins bis sechs nummeriert oder mit den Buchstaben von Aleph bis Taw bezeichnet.

Was bedeutet es, das Grab zu besehen? – Eine Erwähnung dieses Brauchs finden wir im außertalmudischen Traktat Smachot (Evel Rabati): „Sie gehen auf die Friedhöfe und betrachten das Grab bis zu drei Tagen. Und sie fürchten nicht, dass es wie emoritische Zauberei aussieht. Es ist schon vorgekommen, dass ein Mann lebend gefunden wurde und noch 25 Jahre lebte, und erst dann starb er. Und ein anderer zeugte fünf Kinder und starb danach“ (Evel Rabati 8:1).

Und im Talmud (Bawa Batra, 10:2) wird von Raw Josef, dem Sohn von Raw Jehoschua, erzählt, der starb und wieder zum Leben zurückkehrte. Sein Vater fragte ihn: „Was hast du gesehen?“ Er antwortete ihm: „Ich sah das Gegenteil von dieser Welt. Die Oberen (Menschen, die hier aufgrund ihres Reichtums usw. Ansehen genossen) – unten, und die Unteren (die hier als einfache Leute galten, aber wahre Diener des Allmächtigen waren) – oben“. Sein Vater sagte zu ihm: „Du hast eine klare Welt gesehen!“

Und weiter wird im Talmud (Rosch Haschana, 17:1) von Rabbi Guna, dem Sohn von Rabbi Jehoschua, erzählt, der zum Leben zurückkehrte und Rabbi Papa erzählte, dass er im Begriff war zu sterben, „aber der Heilige, gesegnet sei Er, sagte ihm, dass derjenige, der denen vergibt, die ihn beschämen, nicht zu streng gerichtet wird“. Das heißt, Rabbi Guna war es sogar vergönnt, den Grund für seine Rückkehr ins Leben zu hören. Und auch im Buch Sohar steht über ein kleines Kind geschrieben, das für seinen verstorbenen Vater betete und sagte, dass es seine Unterstützung brauche, um zu lernen, und sein Vater kehrte ins Leben zurück.

So kamen die Frauen, gemäß der Tradition, um zu prüfen, ob der Verstorbene nicht wieder lebendig geworden war. Außerdem konnten sie die notwendige Salbung vornehmen, die wegen des Schabbats nicht früher durchgeführt werden konnte. Der Tradition nach konnten Frauen an der Waschung eines Mannes – Vaters oder Lehrers – teilnehmen. Im Gegensatz dazu konnte ein Mann nicht an der Waschung einer Frau teilnehmen.

2. Und siehe, da geschah ein großes Erdbeben; denn ein Engel des Herrn kam aus dem Himmel herab, trat hinzu, wälzte den Stein weg und setzte sich darauf.

Der Prophet Jeschajah (24:19-20) beschreibt ein Erdbeben in den Zeiten des Maschiach wie folgt: „Die Erde ist zerbrochen, die Erde zerfällt, die Erde ist heftig erschüttert; die Erde schwankt wie ein Betrunkener und schaukelt wie eine Wiege, und ihre Ungerechtigkeit lastet auf ihr; sie wird fallen und nicht wieder aufstehen“. Der Midrasch sagt: „Warum geschieht dieses Erdbeben? Weil sie kein gerechtes Gericht halten! Wie es heißt: „Und es gab keine Wahrheit mehr, und wer sich vom Bösen abwendet, wird beleidigt. Und der Herr sah es, und es missfiel Seinen Augen, dass es kein Gericht gab“ (Jeschajah 59:15).

Der Engel, der den Stein bewegt, ist in der jüdischen Tradition ein besonderes Eingreifen Gottes zum Wohle der Gerechten. Der Midrasch erzählt über Daniel: „Und ein Stein wurde gebracht und auf die Öffnung der Grube gelegt, und der König versiegelte ihn mit seinem Ring und mit dem Ring seiner Edlen, damit sich an dem Urteil über Daniel nichts ändere“ (Daniel 6:17). – Gibt es Steine in Babylon? Aber in jener Stunde nahm der Engel einen Stein im Land Israel, trug ihn hinüber und verschloss damit die Grube. Und Rabbi Una sagt: „Der Engel wurde zu einem Stein in Form eines Löwen und verschloss die Grube, wie es heißt: „Mein Gott hat seinen Engel gesandt und den Löwen den Rachen verschlossen“. Wenn um der Würde eines Gerechten willen ein Stein bewegt wird, um wie viel mehr um der Herrlichkeit des Allerhöchsten willen“ (Schir haSchirim Raba 1).

3. Sein Ansehen aber war wie der Blitz und sein Gewand weiß wie Schnee.

4. Aber aus Furcht vor ihm bebten die Wächter und wurden wie Tote.

So furchteinflößend kann ein Engel sein. Der Midrasch in Hagadat Bereschit erzählt, dass die Kleider und die Decke hörten auf, David zu wärmen, aus Furcht vor dem Engel, den er gesehen hatte, als der Engel des Herrn ihm erschien, nachdem David beschlossen hatte, eine Volkszählung durchzuführen (Hagadat Bereschit, Buber-Ausgabe 38).

5. Der Engel aber begann und sprach zu den Frauen: Fürchtet euch nicht! Denn ich weiß, dass ihr Jeschua, den Gekreuzigten, sucht.

6. Er ist nicht hier, denn er ist auferweckt worden, wie er gesagt hat. Kommt her, seht die Stätte, wo er gelegen hat,

Als der Engel den Stein wegrollte, war Jeschua wahrscheinlich schon nicht mehr im Grab. Der Stein wurde nicht weggerollt, um Jeschua zu befreien, sondern damit die Frauen hineingehen und sich davon überzeugen konnten, dass Jeschua nicht da war. Das ist auch eine Art Anspielung auf die Geschichte von Daniel, wo die Diener des Königs den Stein wegrollten, um zu sehen, dass er dort war.

7. und geht schnell hin und sagt seinen Jüngern, dass er von den Toten auferweckt worden ist! Und siehe, er geht vor euch hin nach Galiläa, dort werdet ihr ihn sehen. Siehe, ich habe es euch gesagt.

Danach gehtsagt die Botschaft, die übermittelt werden muss. Wir wissen aus dem späteren Text, dass die Frauen nun selbst Jeschua begegnen werden.

Siehe, ich habe es euch gesagt – eine häufig vorkommende Formulierung dafür, dass eine Botschaft weitergegeben werden muss (zum Beispiel Menuchot 104).

8. Und sie gingen schnell von der Gruft weg mit Furcht und großer Freude und liefen, es seinen Jüngern zu verkünden.

9. Und siehe, Jeschua kam ihnen entgegen und sprach: Seid gegrüßt! Sie aber traten zu ihm, umfassten seine Füße und warfen sich vor ihm nieder.

Das Küssen der Füße war ein traditioneller Ausdruck besonderer Wertschätzung und Verehrung zu jener Zeit, man kann sagen, eine außergewöhnliche Verehrung. Es drückt gleichzeitig Freude und Reue aus. Einer der wenigen Fälle dieser Begrüßung wird im Talmud erzählt. Die Geschichte ist lang, aber es lohnt sich, sie vollständig zu erzählen, um ein allgemeines Verständnis für diese Handlung zu bekommen:

„Rabbi Akiwa (einer der Märtyrer unter Kaiser Hadrian) diente in seiner Jugend als Hirte bei dem berühmten reichen Mann Kalba-Sawua (Satter Hund). Kalba-Sawuas Tochter Rachel beobachtete den armen Hirten und sah in ihm einen ehrlichen und würdigen jungen Mann und verliebte sich in ihn. „Akiwa“, sagte sie eines Tages zu ihm, „wenn ich einwillige, deine Frau zu werden, wirst du dann zur Schule gehen, um dich der Wissenschaft zu widmen?“ – „Ja“, antwortete Akiwa. Sie verlobten sich heimlich. Und als Kalba-Sawua davon erfuhr, warf er seine Tochter aus dem Haus und kündigte an, sie zu enterben. „Ich träume nicht von Reichtum“, sagte Rachel zu Akiwa, „mein einziger Wunsch ist, dass du zur Schule gehst, um zu lernen“.

Akiwa trat in die Schule von Rabbi Eliezer und Rabbi Jehoschua ein. Zwölf Jahre vergingen. Der arme Hirte wurde ein gelehrter Schriftgelehrter mit einer Zuhörerschaft von zwölftausend Schülern. Und dann beschloss er, dass es an der Zeit war, zu seiner Frau zurückzukehren. Als er an die Tür der Hütte kam, in der Rachel allein lebte, hörte er: „Wenn Akiwa auf mich gehört hätte, wäre er noch zwölf Jahre an der Akademie geblieben“.

Nachdem er so die Zustimmung seiner Frau erhalten hatte, kehrte Rabbi Akiwa an die Akademie zurück. Weitere zwölf Jahre vergingen. Als Lehrer von vierundzwanzigtausend Schülern kehrte Rabbi Akiwa in seine Heimat zurück. Die ganze Stadt kam dem berühmten Gelehrten entgegen. Auch Rachel ging. Sie näherte sich Akiwa, verbeugte sich bis zur Erde und begann, seine Füße zu küssen. Als die Schüler die unbekannte Frau sahen, stürzten sie sich auf sie, um sie zu vertreiben. „Lasst sie zu mir“, hielt Rabbi Akiwa sie auf, „all mein und euer Wissen gehört dieser Frau“.

Auch der alte Kalba-Sawua hörte von der Ankunft eines berühmten Gelehrten. Er bereute seine Grausamkeit gegenüber seiner Tochter und dachte: „Ich werde zu ihm gehen und sehen, ob er mir erlauben wird, mein Gelübde bezüglich meiner Tochter zu brechen“. Er kommt zu Rabbi Akiwa und schildert ihm seinen Fall. Rabbi Akiwa fragte ihn: „Und wenn du gewusst hättest, dass dieser Hirte ein berühmter Gelehrter werden würde, hättest du dann diesen Schwur geleistet?“ – „Auf keinen Fall!“, antwortete Kalba-Sawua, „selbst, wenn er nur eine einzige Halacha gelernt hätte“. „Wenn das so ist“, sagt Rabbi Akiwa, „dann wisse, dass ich der Ehemann deiner Tochter bin“. Der alte Kalba-Sawua verbeugte sich bis zur Erde, küsste Rabbi Akiwas Füße und erklärte, dass er ihm und seiner Tochter die Hälfte seines Vermögens geben würde.

10. Da spricht Jeschua zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Geht hin, verkündet meinen Brüdern, dass sie hingehen nach Galiläa! Und dort werden sie mich sehen.

11. Während sie aber hingingen, siehe, da kamen einige von der Wache in die Stadt und verkündeten den Hohepriestern alles, was geschehen war.

12. Und sie versammelten sich mit den Ältesten und hielten Rat; und sie gaben den Soldaten reichlich Geld

13. und sagten: Sprecht: Seine Jünger kamen bei Nacht und stahlen ihn, während wir schliefen.

14. Und wenn dies dem Statthalter zu Ohren kommen sollte, so werden wir ihn beschwichtigen und machen, dass ihr ohne Sorge seid.

15. Sie aber nahmen das Geld und taten, wie sie unterrichtet worden waren. Und diese Rede verbreitete sich bei den Juden bis auf den heutigen Tag.

16. Die elf Jünger aber gingen nach Galiläa, an den Berg, wohin Jeschua sie bestellt hatte.

17. Und als sie ihn sahen, warfen sie sich vor ihm nieder; einige aber zweifelten.

18. Und Jeschua trat zu ihnen und redete mit ihnen und sprach: Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf Erden.

Der Midrasch Schemot Rabba erzählt wie folgt von den ägyptischen Plagen: „Von diesen Plagen wurden drei durch die Macht von Mosche bewirkt, drei durch die Macht von Aharon, drei durch die Macht Gottes und drei durch alle drei zusammen. Blut, Frösche und Läuse durch die Macht Aharons, der Macht über die Erde hatte; Hagel, Heuschrecken und Finsternis durch die Macht des Mosche, der die Luft beherrschte; wilde Tiere, Krankheit (dewer) und Erstgeborene durch den Allerhöchsten. Und die Geschwüre durch alle drei“ (Schemot Rabba 12:4).

Der grundlegende Unterschied zwischen der Erlösung aus Ägypten und der letzten Erlösung besteht darin, dass Jeschua sowohl auf der Erde als auch im Himmel Macht erhalten hat. Alle Macht.

19. Geht nun hin und macht alle Völker zu Jüngern, und tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes,

Ein Gelehrter wird einmal gelehrt, aber die Jüngerschaft dauert ein Leben lang. Ein weiser Jünger (talmid chacham) zu sein – ist keine Eigenschaft oder Hobby, sondern ein sozialer Status im Volk. Es ist jemand, der seine ganze Zeit dem Lernen und Dienen widmet.

Die Taufe (oder Waschung) kann auf unterschiedliche Weise erfolgen. Es gibt die Alltagstaufe – die Reinigung von Sünden oder ritueller Unreinheit. Es gibt die Reinigung eines Proselyten, die mit der Konversion verbunden ist. Eine Taufe im Namen von jemandem bedeutet praktisch den Übergang in die Sklaverei zu diesem Jemand. Im weiteren Sinne können wir von der Zugehörigkeit eines Jüngers zu einem Lehrer sprechen, was zu Jeschuas Zeiten der Sklaverei sehr nahe kam.

Auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes – der Sohn kam, um die Gebote des Vaters zu erfüllen und Seine Lehre zu erklären. Nach der Auferstehung und Himmelfahrt ließ er die Jünger nicht allein, sondern sandte den Tröster – den Heiligen Geist, der die Jünger an alles erinnert, was der Sohn gesagt hat. So ist die Lehre des Vaters im Sohn vollständig offenbart, vom Heiligen Geist bewahrt und in Erinnerung gerufen. Und jeder getaufte Jünger wendet sich der Lehre des Vaters so zu, wie sie im Sohn offenbart wurde und wie der Heilige Geist hilft, sich daran zu erinnern und sie zu verstehen.

20. und lehrt sie alles zu bewahren, was ich euch geboten habe! Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis ans Ende der Welt.

Lehrt sie alles zu bewahren, was ich euch geboten habe – die Lehre war und ist nicht einfach nur Theorie. Ein Jünger zu bleiben bedeutet, wie oben bereits gesagt, die Lehre des Vaters zu halten, wie sie durch den Sohn offenbart wurde.

Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis ans Ende der Welt – nach dem Gesetz ist der Gesandte dem Sendenden gleich. Jeschua sendet die Apostel aus, um Jünger zu machen, und solange sie diese Mission erfüllen, bleibt er bei ihnen, und sie sind im Grunde er. Am Ende des Evangeliums sagt Jeschua, dass diese Mission endlos ist und bis zum Ende der Zeiten andauern wird.

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