KAPITEL 18
1. In jener Stunde traten die Jünger zu Jeschua und sprachen: Wer ist denn der Größte im Reich der Himmel?
2. Und als Jeschua ein Kind herbeigerufen hatte, stellte er es in ihre Mitte
3. und sprach: Wahrlich, ich sage euch, wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, so werdet ihr keinesfalls in das Reich der Himmel hineinkommen.
4. Darum, wenn jemand sich selbst erniedrigen wird wie dieses Kind, der ist der Größte im Reich der Himmel;
5. und wenn jemand ein solches Kind aufnehmen wird in meinem Namen, nimmt er mich auf.
Die Frage der Jünger ist nicht rein theoretisch, wie man denken könnte. Im täglichen Leben, insbesondere bei gemeinsamen Mahlzeiten, spielte es eine Rolle, wer ehrenhafter war:
„Wie ist die Reihenfolge, in der man sich zum Essen hinlegt? Wenn es zwei Liegen gibt, legt sich der Vornehmere auf die erste, der Zweite zu seinen Füßen. Wenn es drei Liegen gibt, legt sich der Vornehmste in die mittlere, der Zweite an seinem Kopfende, der Dritte zu seinen Füßen. Beim Händewaschen – wenn weniger als fünf zur Mahlzeit lagern, beginnt man mit dem Vornehmsten, wenn fünf oder mehr, beginnt man mit dem Geringsten“ (Tosefta Brachot 5:5-6)
Nach den Ereignissen des vorherigen Kapitels wurde den Jüngern klar, dass neue Regeln in Kraft getreten waren – die Regeln des Reiches Gottes. Dementsprechend hatte sich auch das System geändert, nach dem die Hierarchie gebildet wurde. Genau darum geht es bei der Frage. Jeschua antwortet mit einer Art Gleichnis. Das Kind wird klein genannt wegen seiner Größe und der Unreife seines Bewusstseins. Erst im Alter von 13 Jahren wird ein Junge in der Lage sein, die Gebote bewusst zu befolgen und sich von Verboten fernzuhalten. Jeschua ruft seine Jünger auf, Kinder zu werden – was bedeutet, sich nicht für verständnisvoll zu halten und diese Art von Hierarchie völlig aufzugeben. Wer dieses Niveau erreichen kann, der ist der Größte im Reich. Aber dann nimmt das Gleichnis eine unerwartete Wendung. Was bedeutet es, ein Kind aufzunehmen? – Aufnehmen bedeutet Gastfreundschaft zu gewähren. Dafür gab es ebenfalls eine bestimmte Tradition. Man kann erneut die Geschichte über Rabi wiedergeben:
„Als es das zweite Jahr der Dürre war, öffnete Rabi seine Schatzkammer und verkündete: „Lasst diejenigen hereinkommen, die den Tanach kennen, diejenigen, die die Mischna kennen, diejenigen, die den Talmud kennen, diejenigen, die die Haggada kennen, diejenigen, die das Gesetz kennen“. Auch Rabbi Jonatan ben Amram trat mit anderen ein und bat: „Gebt mir zu essen!“ Rabi fragte ihn: „Mein Sohn, hast du den Tanach gelesen?“ Er antwortete: „Nein“ – „Vielleicht hast du den Talmud studiert?“ Und er antwortete: „Nein“ – „Wie kann ich dich dann ernähren?“ – „Ernähre mich, wie man einen Hund oder einen Raben ernährt!“ (Talmud, Traktat Bawa Batra 8a).
In Bezug auf denjenigen, der eine Waise in sein Haus aufnimmt, sagt der Talmud, dass ein solcher Mensch sie gleichsam geboren und aufgezogen hat (Traktat Megilah 13). Jeschua sagt, dass derjenige, der einen Menschen mit «kindlichem Verstand» aufnimmt, ihn selbst aufnimmt und damit jede Notwendigkeit einer Hierarchie beseitigt. Im weiteren Verlauf entwickelt sich das Gleichnis zu einer Allegorie.
6. Wer aber einen dieser Kleinen, die an mich glauben, zum Bösen verführt, für den wäre es besser, dass ein Mühlstein an seinen Hals gehängt und er in die Tiefe des Meeres versenkt würde.
Ein Mühlstein an seinen Hals – ist ein Symbol für die Verantwortung für die Familie. Im Traktat Kiduschin diskutieren die Weisen, was besser ist: zuerst zu heiraten und dann die Torah zu studieren oder umgekehrt. Rabbi Jochanan glaubt, dass ein verheirateter Mann nach der Hochzeit nicht studieren kann: „Der Mühlstein hängt um seinen Hals – wie soll er da lernen?“ (Kiduschin 29b).
Die Weigerung, einen Jünger, der einem kleinen Kind gleicht, in sein Haus aufzunehmen, ist im Grunde die Weigerung, einen Mühlstein um den Hals zu hängen. Das ist die Verführung des Kleinen, was einem schlechten Zeugnis über den Maschiach und seine Jünger gleichkommt. Für einen solchen Menschen wäre es besser, sich mit einem echten Mühlstein ins Meer zu stürzen.
7. Wehe der Welt der Anstöße ⟨zur Sünde⟩ wegen! Denn es ist notwendig, dass Anstöße ⟨zur Sünde⟩ kommen. Doch wehe dem Menschen, durch den der Anstoß ⟨zur Sünde⟩ kommt!
Der Midrasch warnt vor Versuchungen: „…und zerstört ihre Altäre, zertrümmert ihre Gedenksteine und verbrennt ihre Götzenhaine mit Feuer“ (Dwarim 12:3). Wodurch haben die Bäume und Steine gesündigt? Nur weil die Versuchung durch sie zum Menschen kam, heißt es über sie „und zerstört, zertrümmert und verbrennt“. Wenn das schon für Bäume und Steine gilt, die weder Schuld noch Verdienst, weder Böses noch Gutes haben können, wenn die Versuchung durch sie kommt und der Allmächtige sagt: „…und zerstört, zertrümmert und verbrennt“, um wie viel schuldiger ist dann ein Mensch, der seinen Nächsten vom Weg des Lebens auf den Weg des Todes verführt?!“ (Jalkut Schimoni, Re’e 878).
8. Wenn aber deine Hand oder dein Fuß dir Anstoß ⟨zur Sünde⟩ gibt, so hau ihn ab und wirf ihn von dir! Es ist besser für dich, lahm oder als Krüppel in das Leben hineinzugehen, als mit zwei Händen oder mit zwei Füßen in das ewige Feuer geworfen zu werden.
9. Und wenn dein Auge dir Anlass zur Sünde gibt, so reiß es aus und wirf es von dir! Es ist besser für dich, einäugig in das Leben hineinzugehen, als mit zwei Augen in die Hölle des Feuers geworfen zu werden.
Im Traktat Taanit gibt es eine Geschichte über Isch Gamsu:
„Nahum Isch Gamsu war auf beiden Augen blind, hatte keine Beine und keine Arme. Und sein ganzer Körper war von Aussatz bedeckt. Er lag auf einem Bett in einem Haus, das kaum noch stand, und die Füße seines Bettes standen in Gefäßen mit Wasser, damit die Ameisen nicht auf das Bett kletterten. Eines Tages wollten ihn seine Schüler hinaustragen. Sie wollten zuerst sein Bett mit ihm hinaustragen und dann die Gefäße, aber er sagte zu ihnen: „Meine Kinder, tragt zuerst die Gefäße hinaus. Denn ich verspreche euch, solange ich im Haus bin, wird das Haus nicht einstürzen“. Und so taten sie es. Und sobald sie ihn hinausgetragen hatten, stürzte das Haus ein. Die Schüler fragten: „Rabbi, du bist doch ein Gerechter! Wie konnte dir so etwas passieren?“ Er erzählte: „Das habe ich mir selbst angetan. Eines Tages ging ich zu meinem Schwiegervater, und ich hatte drei Esel bei mir. Einer mit Essen, einer mit Getränken und der dritte mit Süßigkeiten beladen. Ein Bettler kam zu mir und bat: „Rabbi, gib mir zu essen!“ Ich aber antwortete ihm: „Warte, bis ich den Esel abgeladen habe“. Während ich den Esel ablud, hauchte der Bettler seine Seele aus. Und ich fiel auf sein Gesicht und sagte: „Augen, die deine Augen nicht geschont haben, sollen erblinden; Hände, die deine Hände nicht geschont haben, sollen abgeschnitten werden; Füße, die deine Füße nicht geschont haben, sollen abgeschnitten werden“. Und ich beruhigte mich nicht, bis ich sagte: „Und mein ganzer Körper soll von Aussatz bedeckt sein“. Als die Schüler das hörten, sagten sie: „Rabbi, wehe uns, dass wir dich so sehen“. Er antwortete ihnen: „Selig seid ihr, dass ihr mich so seht“ (Talmud, Traktat Taanit 21a).
10. Seht zu, dass ihr nicht eines dieser Kleinen verachtet! Denn ich sage euch, dass ihre Engel in den Himmeln allezeit das Angesicht meines Vaters schauen, der in den Himmeln ist.
Der Tradition zufolge können bei weitem nicht alle Engel das Angesicht des Allerhöchsten sehen. Die Tatsache, dass die Engel, die für den Schutz der Kinder zuständig sind, täglich Sein Angesicht sehen, unterstreicht ihre Wichtigkeit. Die Parallele ist ganz klar: Wenn der Allerhöchste selbst ihre Engel in der himmlischen Welt empfängt, sind auch seine Diener in der irdischen Welt verpflichtet, sie zu empfangen.
Eine weitere interessante Sichtweise dazu enthüllt der Midrasch Tanchuma:
„Und Balak, der Sohn Zippors, sah…“ (Bemidbar 22:2). Es wäre besser für die Bösen, blind zu sein, denn ihre Augen bringen Fluch in die Welt. Von der Generation der Sintflut heißt es: „Und die Gottessöhne sahen die Töchter der Menschen“ (Bereschit 6:2). Und es steht geschrieben: „Und Ham, der Vater Kanaans, sah…“ (Bereschit 9:22), und auch „…die Fürsten des Pharao sahen sie“ (Bereschit 12:15), und „und Sichem, der Sohn Hamors, sah sie“ (34:2).
11. Denn der Sohn des Menschen ist gekommen, um das Verlorene zu retten.
12. Was meint ihr? Wenn ein Mensch hundert Schafe hätte und eins von ihnen sich verirrte, lässt er nicht die neunundneunzig auf den Bergen und geht hin und sucht das irrende?
13. Und wenn es geschieht, dass er es findet, wahrlich, ich sage euch, er freut sich mehr über dieses als über die neunundneunzig, die nicht verirrt sind.
14. So ist es nicht der Wille von eurem Vater, der in den Himmeln ist, dass eines dieser Kleinen verloren geht.
Die Sorge um ein verlorenes oder von der Herde abgekommenes Schaf ist ein recht verbreitetes Motiv in der jüdischen Literatur.
„Der HERR aber war mit Josef, und er war ein Mann, dem alles gelang; und er blieb im Haus seines ägyptischen Herrn“ (Bereschit 39:2). Er war mit Josef, aber nicht mit den übrigen Brüdern. Rabbi Jodan sagte: „Es ist vergleichbar mit einem Viehtreiber, der zwölf Ochsen hat, die mit Wein beladen sind. Und einer von ihnen ging in den Laden eines Nichtjuden. Sofort ließ der Treiber die elf Ochsen draußen stehen und ging in den Laden. Sie fragten ihn: „Warum hast du die elf verlassen und bist dem einen nachgegangen?“ Er antwortete: „Diese elf befinden sich an einem öffentlichen Ort, und ich mache mir keine Sorgen, dass ihr Wein zu einem Götzenopfer wird, aber um den, der zum Heiden gegangen ist, sorge ich mich“. Diese elf stehen unter der Obhut des Vaters, aber der Jüngste blieb unbeaufsichtigt, deshalb war der Herr mit ihm“ (Bereschit Rabba 86).
15. Wenn aber dein Bruder sündigt, so geh hin, überführe ihn zwischen dir und ihm allein! Wenn er auf dich hört, so hast du deinen Bruder gewonnen.
16. Wenn er aber nicht hört, so nimm noch einen oder zwei mit dir, damit aus zweier oder dreier Zeugen Mund jede Sache bestätigt wird!
17. Wenn er aber nicht auf sie hören wird, so sage es der Gemeinde; wenn er aber auch auf die Gemeinde nicht hören wird, so sei er dir wie der Heide und der Zöllner!
18. Wahrlich, ich sage euch: Wenn ihr etwas auf der Erde bindet, wird es im Himmel gebunden sein, und wenn ihr etwas auf der Erde löst, wird es im Himmel gelöst sein.
Aus dem Gesagten ergibt sich die Notwendigkeit, den Sünder zu ermahnen. Das ist eigentlich die Sorge um das verlorene Schaf. Die Bedeutung der Zurechtweisung in jüdischen Quellen kann man kaum überschätzen.
„Rabbi Meir sagte: „Wenn ein Teil deiner Gefährten dich tadelt und ein anderer Teil dich lobt, dann liebe die Tadelnden und hasse die Lobenden, denn wer tadelt, bringt dich dem ewigen Leben näher, und wer dich verherrlicht, nimmt dir das Leben“ (Awot de Rabbi Natan 29:1).
„Wie kann ein Mensch den geraden Weg wählen? – Indem er die Zurechtweisungen liebt! Solange Zurechtweisungen in der Welt angenommen werden, gibt es Zufriedenheit in der Welt, gibt es Güte und Segen in der Welt, und das Böse verlässt sie, wie es heißt: „Denen aber, die ⟨ihn⟩ zurechtweisen, geht es gut, und über sie kommt der Segen des Guten“ (Mischlej 24,25), (Tamid 28a).
„Woher weiß man, dass derjenige, der etwas Beschämendes an seinem Nächsten sieht, ihn zurechtweisen muss? Aus dem, was gesagt wurde: „Du sollst deinen Nächsten ernstlich zurechtweisen“ (Waijkra 19,17). Und woher weiß man, dass man, wenn der Nächste nicht hört, ihn nochmals zurechtweisen muss? Es heißt zweimal „weise zurecht“. Auch wenn sich sein Gesicht verändert hat (die Frage wird wegen der Verurteilung dessen gestellt, der seinen Nächsten erbleichen lässt)? Es heißt: „Und du sollst seinetwegen keine Sünde tragen“. Rabbi Tarfon sagte: „Ich bezweifle, dass es in unserer Generation einen Menschen gibt, der fähig ist, Zurechtweisung anzunehmen. Sagt man zu ihm: „Nimm den Splitter aus deinem Auge“. Antwortet er: „Nimm den Balken aus deinem Auge“. Rabbi Elieser ben Asarja sagte: „Und ich bezweifle, dass es in unserer Generation einen Menschen gibt, der fähig ist, zurechtzuweisen“. Rabbi Jochanan ben Nuri sagte: „Himmel und Erde sind meine Zeugen, dass Akiwa oft von mir vor Gamliel zurechtgewiesen wurde, denn ich wies ihn zurecht und vermehrte dadurch seine Liebe zu mir, wie geschrieben steht (Mischlej 9,8): „Weise den Spötter nicht zurecht, denn er wird dich hassen; weise den Weisen zurecht, und er wird dich lieben“ (Arachin 16b).
Die Notwendigkeit von zwei Zeugen ist in der Torah festgeschrieben. So steht im Buch Dwarim geschrieben: „Er darf nicht auf die Aussage eines einzelnen Zeugen hin getötet werden“ (Dwarim 17,6) und „Auf die Aussage von zwei oder drei Zeugen hin soll der zum Tode Verurteilte getötet werden“ (ebenda).
Ebenso muss eine Frau, die der Unzucht verdächtigt wird, in Anwesenheit von zwei Zeugen gewarnt werden, und um ihr bitteres Wasser zu geben, sind zwei Zeugen für die Verletzung der Warnung erforderlich (Mischna Sota 1,1-2). Es ist verboten, einen Menschen öffentlich zu tadeln, ausschließlich aufgrund persönlicher Aussagen.
„Drei liebt der Allmächtige: denjenigen, der nicht zornig wird, denjenigen, der sich nicht betrinkt, und denjenigen, der nicht auf die ihm gebührende Ehre besteht. Drei hasst der Allmächtige: wer im Herzen das eine sagt und mit dem Mund das andere, wer ein Zeugnis über seinen Nächsten kennt und nicht aussagt (das heißt, jemand, der etwas weiß, was seinem Nächsten vor Gericht helfen könnte, und sich weigert, Zeugnis abzulegen), wer etwas Beschämendes über seinen Nächsten weiß und allein Zeugnis ablegt (öffentlich), wie in dem Fall, als Tuwija sündigte und Sigid kam, um vor Rav Papa Zeugnis abzulegen. Rav Papa sagte: „Tuwija hat gesündigt, und Sigid legt allein Zeugnis ab? Wie steht doch geschrieben: Auf die Aussage von zwei oder drei Zeugen hin soll der zum Tode Verurteilte getötet werden? Es stellt sich heraus, dass Sigid, indem er allein Zeugnis ablegt, einfach verleumdet!“ (Psachim 113b).
Ohne dieser Zurechtweisung ist es unmöglich, das Beschämende vor der Gemeinde aufzudecken. Der letzte Teil des Verfahrens wird akrasa (Ankündigung) vor dem Gericht der Gemeinde genannt. Das Wesen der Ankündigung besteht darin, dass die Person als untauglich für das Zeugnis erklärt wird (Sanhedrin 25a). Diese Person bleibt sozusagen außerhalb der Gemeinschaft, bis sie Buße tut.
Das von Matthai beschriebene Verfahren ist also praktisch identisch mit dem der jüdischen Tradition. Jeschua beschreibt hier anstelle der Hierarchie einige grundlegende Prinzipien der Gemeinde.
19. Wiederum sage ich euch: Wenn zwei von euch auf der Erde übereinkommen, irgendeine Sache zu erbitten, so wird sie ihnen werden von meinem Vater, der in den Himmeln ist.
20. Denn wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich in ihrer Mitte.
Zwei oder drei Jünger erhalten die Möglichkeit, im Namen des Maschiach zu richten, und ihr Urteil wird reale Kraft haben:
„Rabbi Chanina ben Tradion sagte: „Wenn zwei zusammensitzen und zwischen ihnen kein Gespräch darüber entsteht, was in der Torah gesagt wurde, ist das ein Treffen von Spöttern, wie es heißt: „…Und an den Treffen der Spötter nahm ich nicht teil“. Aber wenn zwei zusammensitzen und das diskutieren, was in der Torah gesagt wurde, weilt die Schechina zwischen ihnen, wie es heißt: „Da redeten die miteinander, die den HERRN fürchteten, und der HERR merkte auf und hörte. Und ein Buch der Erinnerung wurde vor ihm geschrieben für die, die den HERRN fürchten und seinen Namen achten“ (Maleachi 3,16) (Pirkej Awot 3:2).
„Rabbi Chalafta ben Dossa aus Kfar Chananja sagte: „Unter zehn Menschen, die zusammensitzen und die Torah studieren, weilt die Schechina, wie es heißt: „Gott ist anwesend in der Versammlung der Richter“. Und woher wissen wir, dass dies auch dann gilt, wenn es nur fünf sind? – Denn es heißt: „Das fünfte (vom Schöpfer gebildete Element), das (die vier Elemente) auf der Erde vereint“. Und woher wissen wir, dass das auch dann gilt, wenn es nur drei sind? – Denn es heißt: „Unter dem aus drei bestehendem Gericht der Richter richtet Er“. Und woher wissen wir, dass das auch dann gilt, wenn es nur zwei sind? – Denn es heißt: „Da redeten die miteinander, die den HERRN fürchteten, und der HERR merkte auf und hörte“. Und woher wissen wir, dass dies auch dann gilt, wenn es nur einer ist? – Denn es heißt: „An jedem Ort, an dem Ich meinen Namen erwähnen lasse, werde Ich zu dir kommen und dich segnen“ (Pirkej Awot 3:6).
„Ich aber komme zu Dir mit meinem Bittgebet, HERR, zur Zeit der Gnade. Gott, in Deiner großen Huld erhöre mich, mit Deiner rettenden Treue!“ (Tehilim 69:14). Wann ist die Zeit der Gnade? – Wenn die Gemeinde betet. Rabbi Jose ben Rabbi Chanina sagt: „Das verstehen wir aus dem Vers: „So spricht der Herr: Zur Zeit der Gnade habe Ich dir geantwortet“ (Jeschajah 49:8). Rabbi Acha ben Rabbi Chanina sagt: „Aus dem Vers: „Siehe, Gott ist mächtig und verachtet nicht“ (Hiob 36:5) und aus dem Vers: „Er hat meine Seele erlöst und ihr Frieden verschafft vor denen, die mich bekriegten; denn viele sind gegen mich gewesen“ (Tehilim 55:19) (Traktat Brachot 8a).
21. Dann trat Petrus zu ihm und sprach: Herr, wie oft soll ich meinem Bruder, der gegen mich sündigt, vergeben? Bis siebenmal?
22. Jeschua spricht zu ihm: Ich sage dir: Nicht bis siebenmal, sondern bis siebzigmal sieben⟨mal⟩!
Im Targum Jonathan gibt es einen Midrasch zum Buch Bereschit (4:24): Wenn Kain, der vorsätzlich gesündigt hatte, sieben Generationen von Nachkommen hatte, von denen jede Buße tun konnte, dann hat Lamech, der keine absichtliche Sünde begangen hat, siebzigmal sieben Generationen von Nachkommen (eigentlich bedeutet dies „viele Nachkommen“), das heißt, viele Möglichkeiten Sünde zu sehen und Buße zu tun.
23. Deswegen ist es mit dem Reich der Himmel wie mit einem König, der mit seinen Knechten abrechnen wollte.
24. Als er aber anfing abzurechnen, wurde einer zu ihm gebracht, der zehntausend Talente schuldete.
25. Da er aber nicht zahlen konnte, befahl der Herr, ihn und seine Frau und die Kinder und alles, was er hatte, zu verkaufen und ⟨damit⟩ zu bezahlen.
26. Der Knecht nun fiel nieder, bat ihn kniefällig und sprach: Herr, habe Geduld mit mir, und ich will dir alles bezahlen.
27. Der Herr jenes Knechtes aber wurde innerlich bewegt, gab ihn los und erließ ihm das Darlehen.
28. Jener Knecht aber ging hinaus und fand einen seiner Mitknechte, der ihm hundert Denare schuldig war. Und er ergriff und würgte ihn und sprach: Bezahle, wenn du etwas schuldig bist!
29. Sein Mitknecht nun fiel nieder und bat ihn und sprach: Habe Geduld mit mir, und ich will dir bezahlen.
30. Er aber wollte nicht, sondern ging hin und warf ihn ins Gefängnis, bis er die Schuld bezahlt habe.
31. Als aber seine Mitknechte sahen, was geschehen war, wurden sie sehr betrübt und gingen und berichteten ihrem Herrn alles, was geschehen war.
32. Da rief ihn sein Herr herbei und spricht zu ihm: Böser Knecht! Jene ganze Schuld habe ich dir erlassen, weil du mich batest.
33. Solltest nicht auch du dich deines Mitknechtes erbarmt haben, wie auch ich mich deiner erbarmt habe?
34. Und sein Herr wurde zornig und überlieferte ihn den Folterknechten, bis er alles bezahlt habe, was er ihm schuldig war.
35. So wird auch mein himmlischer Vater euch tun, wenn ihr nicht ein jeder seinem Bruder von Herzen vergebt.
Das Gleichnis Jeschuas ist ein klassisches Gleichnis, in dem das Verhalten eines irdischen Königs mit dem Verhalten des himmlischen Königs verglichen wird. Der einzige Unterschied besteht darin, dass in diesem Fall das Gleichnis die Ähnlichkeit und nicht die Unterschiede aufzeigt, wie es oft der Fall ist.
Ein interessantes Detail ist, dass der Knecht, dem die Schuld vergeben wurde, beginnt, seinen Schuldner zu würgen. Gerade das Würgen kommt in der Mischna vor: „Wenn jemand sah, wie sein Bekannter einen Schuldner auf dem Markt würgte, und zu ihm sagte: „Lass ihn gehen“ (das kann als Zahlungsversprechen verstanden werden), dann ist er noch kein Bürge für die Schulden und muss nichts bezahlen, bis er klar sagt: „Lass ihn gehen und ich werde dich bezahlen“ (Mischna Bawa Batra 10:8).