KAPITEL 11

1. Und es geschah, als Jeschua seine Befehle an seine zwölf Jünger vollendet hatte, ging er von dort weg, um in ihren Städten zu lehren und zu predigen.

2. Als aber Johanan im Gefängnis die Werke des Maschiach hörte, sandte er durch seine Jünger

3. und ließ ihm sagen: Bist du der Kommende, oder sollen wir auf einen anderen warten?

Die Zweifel des Jochanan hängen damit zusammen, dass eine der erwarteten Taten des Maschiach darin bestand, die Gefangenen zu befreien. So sagte Jeschajah: „Um blinde Augen zu öffnen, Gefangene aus dem Kerker zu holen und die im Dunkel sitzen, aus der Haft“. Und: „Der Geist GOTTES, des Herrn, ruht auf mir. Denn der HERR hat mich gesalbt; er hat mich gesandt, um den Armen frohe Botschaft zu bringen, um die zu heilen, die gebrochenen Herzens sind, um den Gefangenen Freilassung auszurufen und den Gefesselten Befreiung“. Jochanan selbst ist nach Matthaj im Gefängnis, er kann nicht selbst zu Jeschua kommen und ist gezwungen, seine Jünger zu schicken. Seine Frage ist wahrscheinlich im Zusammenhang mit seiner eigenen Befreiung zu verstehen. Er zweifelt nicht daran, dass Jeschua der Maschiach ist, den er selbst bezeugt hat; Jeschuas Werke, Heilungen und Wunderkräfte sind ihm nicht neu. Doch als er hört, dass Jeschua Jünger aussendet, fragt er, ob Jeschua selbst oder einer seiner Jünger kommen und ihn aus seiner Gefangenschaft befreien wird, wie er es in der messianischen Zeit versteht. Dementsprechend ist auch die Antwort Jeschuas kein Beweis für seine messianische Gesandtschaft:

4. Und Jeschua antwortete und sprach zu ihnen: Geht hin und verkündet Johanan, was ihr hört und seht:

5. Blinde werden sehend, und Lahme gehen, Aussätzige werden gereinigt, und Taube hören, und Tote werden auferweckt, und Armen wird gute Botschaft verkündigt.

6. Und glückselig ist, wer an mir keinen Anstoß nimmt!

Die Antwort von Jeschua listet nicht seine Werke auf, auch nicht irgendwelche seine Handlungen, seien es Heilungen, Auferstehungen, Reinigung usw. Er listet die Ereignisse auf, die sich aus den Veränderungen ergeben, die er in die Welt gebracht hat, erzählt von den Ereignissen der Zeit, weist aber gleichzeitig auf seine bestimmte Besonderheit hin. Glücklich ist derjenige, der Jeschuas persönliche Anwesenheit für persönliche Heilung nicht für nötig hält. Der Sohn des Hauptmanns wurde aus der Ferne geheilt, auf das bloße Wort Jeschuas hin, die Frau wurde geheilt, indem sie einfach sein Gewand berührte. Jeschuas bloße Anwesenheit in der Welt eröffnete eine neue Möglichkeit zur Heilung und zur Befreiung. Darauf deuten seine Worte hin: „Glückselig ist, wer an mir keinen Anstoß nimmt!“

7. Als die aber hingingen, fing Jeschua an, zu den Volksmengen zu reden über Johanan: Was seid ihr in die Wüste hinausgegangen anzuschauen? Ein Rohr, vom Wind hin und her bewegt?

Was seid ihr…hinausgegangen anzuschauen? – Der Ausdruck „geh hinaus und sieh“ oder „geh und sieh“ findet sich häufig in der rabbinischen Literatur als Einleitung zu einer Erklärung eines Ereignisses oder einer Idee. In diesem Fall ist es wahrscheinlich, dass Jeschua eine absichtliche Zweideutigkeit verwendet. Das Volk ging tatsächlich zu Jochanan in die Wüste, aber die Formulierung „hinausgehen, um zu sehen“ wird auch im übertragenen Sinn verwendet.

Ein Rohr, vom Wind hin und her bewegt – das Bild eines Menschen, der durch die Prüfung oder Bestrafung Gottes geschwächt ist, ein Mensch, der sich in geistiger Verwirrung befindet, aber seine Absichten oder seinen Standpunkt nicht verlässt. „Und der HERR wird Israel schlagen, dass es schwankt⟩, wie das Rohr im Wasser schwankt. Und er wird Israel ausreißen aus diesem guten Land, das er ihren Vätern gegeben hat, und wird sie zerstreuen jenseits des Stromes, weil sie ihre Ascherim gemacht haben und damit den HERRN zum Zorn reizen“ (1.Melachim14:15). Israel ist wie ein Schilfrohr, das am Wasser wächst und seinen Stängel erneuert, wenn er abgeschnitten wird, seine Wurzeln sind stark. Und selbst wenn alle Winde der Welt gegen ihn wehen, wird er sich nicht bewegen oder brechen, sondern sich nur mit ihnen beugen, und wenn die Winde aufhören, kehrt er an seinen Platz zurück“ (Sanhedrin 105b).

Das Buch der Makkabäer berichtet von Philopator, der das Allerheiligste des Tempels betreten wollte, woraufhin das Volk Israel im Gebet zum Allerhöchsten rief und Ihn bat, die Entweihung zu verhindern:

„Daraufhin erhörte der alles wahrnehmende Gott und Vater des Alls, der Heilige der Heiligen, die gesetzmäßigen Gebete und züchtigte den, der sich in frechem Übermut gewaltig überhoben hatte. Er schüttelte ihn gleich einem Rohr beim Winde hin und her, dass er regungslos am Boden lag und, an den Gliedern gelähmt, kein Wort mehr reden konnte. So ward er vom gerechten Gericht getroffen. Als die Freunde und Leibwächter sahen, dass ihn schnell und scharf die Strafe getroffen hatte, fürchteten sie, dass es mit seinem Leben zu Ende gehe; da zogen sie ihn in unmäßiger Angst schnell heraus. Allmählich kam er dann zu sich; aber er empfand trotz der Züchtigung keine Reue, sondern zog unter heftigen Drohungen von dannen“.

Das Bild des „im Winde brechenden Rohres“ kann hier als Züchtigung des Menschen durch Gott verstanden werden.

8. Oder was seid ihr hinausgegangen zu sehen? Einen Menschen, mit weichen Kleidern bekleidet? Siehe, die weiche Kleider tragen, sind in den Häusern der Könige.

Das direkte Gegenteil von einem vom Wind zerbrochenen Schilfrohr – ein Mann in weichen Kleidern. Es ist möglich, dass das hier verwendete hebräische Wort für weich und sanft, das Wort adanim ist. Es wird in den Midraschim so interpretiert, dass es auf die Zeugnisfunktion des Königs hinweist, auf seine Aufgabe, die Autorität Gottes zu bezeugen. In diesen Midraschim wird der Name des königlichen Gewandes von dem Wort edut (Zeugnis) abgeleitet.

9. Oder was seid ihr hinausgegangen zu sehen? Einen Propheten? Ja, sage ich euch, und mehr als einen Propheten.

10. Dieser ist es, von dem geschrieben steht: »Siehe, ich sende meinen Boten vor deinem Angesicht her, der deinen Weg vor dir bereiten wird.«

Mehr als ein Propheten – der Midrasch sagt, dass man an jedem Ort, an dem man einen Engel sehen kann, auch eine Schechina (göttliche Gegenwart) sehen kann. (Schemot Raba Abschnitt 2). Daher ist mehr als ein Prophet in diesem Fall keine Metapher.

In Anbetracht der Parallele zwischen dem Leben des Urvaters Jaakow und dem Schicksal Israels sagt der Midrasch:

Da begegneten ihm Engel Gottes“ (Bereschit 32,2). Hier ist ein Hinweis auf zwei Engel, die der Allmächtige in Zukunft senden wird, um Israel zu befreien. Sie sind Elijahu, der Prophet, und der König Maschiach“ (Toraht Hamincha, Wajeze 13:98).

11. Wahrlich, ich sage euch, unter den von Frauen Geborenen ist kein Größerer aufgestanden als Johanan der Täufer; der Kleinste aber im Reich der Himmel ist größer als er.

Jeschua führt den Zuhörern vor Augen, dass Jochanan die Inkarnation des Propheten Elijahu ist. Was die geistige Entwicklung des Menschen betrifft, so stand die Aneignung der geistigen Eigenschaften Elijahu an der Spitze der Leiter:

„Rabbi Pihas ben Jair sagt: „Fleiß führt zu körperlicher Reinheit, körperliche Reinheit führt zu geistiger Reinheit, geistige Reinheit führt zur Loslösung von dieser Welt, das führt zu Heiligkeit, Heiligkeit führt zu Bescheidenheit, Bescheidenheit führt zu Furcht vor Sünde, Furcht vor der Sünde – zur Frömmigkeit (chassidut), und Frömmigkeit führt zum Empfang des Geistes der Heiligkeit (ruach hakodesch), der Geist der Heiligkeit führt zum Zustand der Auferstehung von den Toten, und die Auferstehung von den Toten führt zum Aufstieg auf die Stufe des Propheten Elijahu“ (diese Version der Barajta im „Midrasch Schir haSchirim Raba“, Kap. 1. Es gibt verschiedene Versionen in verschiedenen Quellen).

Das heißt, Jochanan befindet sich auf der höchsten geistigen Stufe, die ein Mensch vor ihm erreichen konnte. Nun aber, da eine neue Stufe der geistigen Entwicklung (das Himmelreich) offenbart wurde, ist derjenige, der diese Stufe erreicht hat, größer als Jochanan. Zu diesen Barajta werden wir noch zurückkommen.

12. Aber von den Tagen Johanans des Täufers an bis jetzt wird dem Reich der Himmel Gewalt angetan, und Gewalttuende reißen es an sich.

Nachdem Jochanan seine Mission erfüllt hat, nähert sich derjenige, der auf eine neue Stufe aufsteigt, einer völlig neuen Ebene geistiger Existenz – dem Himmelreich. Auch die Leiter selbst verändert sich.

13. Denn alle Propheten und das Gesetz haben geweissagt bis hin zu Johanan.

Der Talmud sagt, dass alle Propheten, die prophezeiten, den Moment der Auferstehung von den Toten vorausgesehen haben, und über die Zeit von Maschiach heißt es: „Seit Urzeiten hat man nicht vernommen, hat man nicht gehört; kein Auge hat je einen Gott außer Dir gesehen, der an dem handelt, der auf Ihn harrt“ (Jeschajah 64:3) (Brachot 34b).

14. Und wenn ihr es annehmen wollt: Er ist Elia, der kommen soll.

Eigentlich eine Schlussfolgerung aus dem allegorischen Midrasch über Jochanan.

15. Wer Ohren hat, der höre!

16. Mit wem aber soll ich dieses Geschlecht vergleichen? Es ist Kindern gleich, die auf den Märkten sitzen und den anderen zurufen

Mit wem soll ich dieses Geschlecht vergleichen? – Der Charakter der Generation selbst wird oft als eines der Zeichen der messianischen Ära angeführt, die die Art der Offenbarung Maschiachs bestimmt. Das bringt uns zurück zu der zuvor zitierten Barajta:

„Am Vorabend des Maschiach wird in der Welt Anmaßung herrschen, die Trauben werden keine Früchte tragen und der Wein wird teuer sein, Ketzerei wird sich zum Königtum erheben, und es wird keine Zurechtweisung geben, die Versammlung der Richter wird sich lichten, und Galiläa wird zerstört werden, und seine Bewohner werden von Ort zu Ort wandern, die Weisheit der Schriftgelehrten wird ranzig werden, die Frömmigkeit wird abscheulich werden, und die Wahrheit wird verborgen sein. Die Jüngeren werden die Älteren ohne Ehrfurcht behandeln, und die Älteren werden sich gegen die Jüngeren auflehnen. Der Sohn verflucht seinen Vater, die Tochter lehnt sich gegen ihre Mutter auf, die Schwiegertochter gegen ihre Schwiegermutter, die Hausgenossen des Menschen werden seine Feinde sein, das Gesicht der Generation gleicht dem eines Hundes, Kinder entehren ihre Väter, und es gibt niemanden, auf den man sich verlassen kann, außer dem himmlischen Vater. Fleiß führt zu körperlicher Reinheit, körperliche Reinheit führt zu geistiger Reinheit, geistige Reinheit führt zur Loslösung von dieser Welt, das führt zu Heiligkeit, Heiligkeit führt zu Bescheidenheit, Bescheidenheit führt zu Furcht vor Sünde, Furcht vor der Sünde – zur Frömmigkeit (chassidut), und Frömmigkeit führt zum Empfang des Geistes der Heiligkeit (ruach hakodesch), der Geist der Heiligkeit führt zum Zustand der Auferstehung von den Toten, und die Auferstehung von den Toten führt zum Aufstieg auf die Stufe des Propheten Eliyahu“.

Rabbi Elhana Wasserman zitiert in seinem Buch über die Zeit vor dem Maschiach eine interessante Bemerkung von Rabbi Israel Salanter über ein Gesicht wie das eines Hundes: „Wenn der Sohn Davids kommt, wird das Gesicht der Generation wie das Gesicht eines Hundes sein“ (Sotah 49b und Sanhedrin 97a). Es liegt in der Natur eines Hundes, seinem Herrn vorauszulaufen; auf den ersten Blick sieht es so aus, als ob der Hund läuft, wohin er will, und der Herr hinter ihm herläuft und seinem Willen gehorcht. Aber all das ist nur auf den ersten Blick; wir wissen, dass es genau umgekehrt ist: der Herr geht, wohin er will, und der Hund läuft vor ihm her und hört auf seine Befehle. Sobald das Herrchen die Richtung ändert, dreht sich der Hund um und rennt wieder voraus. In früheren normalen Jahren, als die Juden den Anweisungen der Torah folgten, legten die Führer der Torah den Weg fest, legten die Richtung fest, und die Generation folgte ihnen. Vor dem Kommen des Maschiach wird die Autorität der Torah umgestürzt, die Generation selbst wird den Weg wählen, auf dem sie gehen wird, wo immer sie es für richtig hält, und die Führer des Judentums werden auf diesem Weg vor der Menge herlaufen, wie ein Hund vor seinem Herrn“.

Jeschua, der von der messianischen Generation spricht, gibt ein sehr ähnliches Beispiel:

16. Mit wem aber soll ich dieses Geschlecht vergleichen? Es ist Kindern gleich, die auf den Märkten sitzen und den anderen zurufen

17. und sagen: Wir haben euch gepfiffen, und ihr habt nicht getanzt; wir haben Klagelieder gesungen, und ihr habt nicht gewehklagt.

Wie Kinder, die auf öffentlichen Plätzen spielen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen: Was immer die eine Gruppe spielt, seien es fröhliche oder traurige Lieder, die andere Gruppe will nicht mitmachen. Keiner will sich auf das musikalische Spiel des anderen einlassen, dem Ruf der Musik folgen. Andererseits erwartet jeder, dass die andere Gruppe sich ihm anschließt. Ebenso erwarten die Menschen, dass die Gesandten des Herrn zu ihrer Musik weinen oder tanzen und nach ihren Stimmungen und Vorstellungen handeln. In diesem Sinne ist das Gesicht einer Generation wie das Gesicht eines Hundes, wie Israel Salanter es erklärt.

18. Denn Johanan ist gekommen, der weder aß noch trank, und sie sagen: Er hat einen Dämon.

19. Der Sohn des Menschen ist gekommen, der isst und trinkt, und sie sagen: Siehe, ein Fresser und Weinsäufer, ein Freund der Zöllner und Sünder – und die Weisheit ist gerechtfertigt worden aus ihren Werken.

So wie Kindermusiker von anderen erwarten, dass sie sich entsprechend der Musik, die sie spielen, verhalten, so erwarten die Menschen in der Generation des Maschiach, dass eine Person ihren eigenen Vorstellungen von Gerechtigkeit entspricht. Aber die Weisheit zeigt Gerechtigkeit durch ihre Werke. Hier findet höchstwahrscheinlich die Personifizierung der Weisheit statt – eine gängige Praxis in der jüdischen Literatur (siehe z. B. Mischlej 8, Die Weisheit des ben Sirah 25). Darüber hinaus spricht Jeschua über die Städte, in denen die Weisheit ihre Werke zeigte, die aber nicht Buße taten und die Predigt durch Werke nicht akzeptierten:

20. Dann fing er an, die Städte zu schelten, in denen seine meisten Wunderwerke geschehen waren, weil sie nicht Buße getan hatten:

21. Wehe dir, Chorazin! Wehe dir, Betsaida! Denn wenn in Tyrus und Sidon die Wunderwerke geschehen wären, die unter euch geschehen sind, längst hätten sie in Sack und Asche Buße getan.

22. Doch ich sage euch: Tyrus und Sidon wird es erträglicher ergehen am Tag des Gerichts als euch.

23. Und du, Kapernaum, die du bis zum Himmel erhöht worden bist, du wirst bis zum Totenreich hinabgeworfen werden; denn wenn in Sodom die Wunderwerke geschehen wären, die in dir geschehen sind, es wäre geblieben bis auf den heutigen Tag.

24. Doch ich sage euch: Dem Sodomer Land wird es erträglicher ergehen am Tag des Gerichts als dir.

Wehe dir – höchstwahrscheinlich „Oh du!“ – traditionelle Klage und Verurteilung, Tadel. Es kommt bereits in Jermijahu 13,27 vor, ist aber auch im Talmud und Midrasch verbreitet.

Und du, Kapernaum, die du bis zum Himmel erhöht worden bist, du wirst bis zum Totenreich hinabgeworfen werden – hier wird eine Parallele zu Jeschajah 14,15 gesehen. Ein ähnliches Motiv findet sich in Owadja 1,4. Der Aufstieg in den Himmel wird von Midraschim als der Stolz der Bewohner der Stadt gedeutet.

25. Zu jener Zeit begann Jeschua und sprach: Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, dass du dies vor Weisen und Verständigen verborgen und es Unmündigen offenbart hast.

Zu jener Zeit begann Jeschua und sprach – hier wird wahrscheinlich angedeutet, dass Jeschua nach einem Exkurs zum Thema der Trauer um die Städte Galiläas zum Thema Generation und Weisheit zurückkehrt.

Du dies vor Weisen und Verständigen verborgen und es Unmündigen offenbart hast – im Traktat Bawa Batra gibt es Worte von Rabbi Jochanan, dass seit der Zerstörung des ersten Tempels die Prophezeiung den Propheten genommen und den Unmündigen und Verrückten gegeben wurde. Nach den allgemein anerkannten Erklärungen dieser Passage traf der Zorn Gottes, der sich in der Bestrafung der Weisen zeigte, indem man ihnen eine Prophezeiung entnahm, keine Auswirkungen auf diejenigen, die keine Vernunft hatten und die dementsprechend nicht von der Vernunft versucht wurden. Aufgrund dieser Gabe konnten die Unmündigen Jeschua erkennen, sie hatten keine Erwartung, die auf dieser oder jener Anforderung, auf dieser oder jener Lehre beruhte.

26. Ja, Vater, denn so war es wohlgefällig vor dir.

27. Alles ist mir übergeben worden von meinem Vater; und niemand erkennt den Sohn als nur der Vater, noch erkennt jemand den Vater als nur der Sohn, und der, dem der Sohn ihn offenbaren will.

Die Offenbarung des Vaters erfolgt durch den Sohn. Das Buch Sohar sagt:

Bereschit (im Anfang – das erste Wort der Torah) – ist ein Satz (also eines der Sätze), mit dem der Allmächtige die Welt erschaffen hat. Bara – die Hälfte des Satzes. Vater und Sohn (bara wird hier als aramäisches Wort für Sohn verstanden) – verborgen und offenbart“ (Sifra de Zniuta, Sohar, Teil 2 175).

Dem Talmud zufolge waren die zehn Aussagen Gottes, die im ersten Kapitel des Buches Bereschit zitiert werden, die Instrumente zur Erschaffung der Welt. Gleichzeitig ist nach der Meinung im Traktat Rosch Haschana 32a, auch das Wort bereschit selbst ist eine dieser Aussagen. Das zweite Wort der Torah bara (geschaffen)wiederholt genau die erste Hälfte des ersten Wortes bereschit. Anders als im Hebräischen, wo das Wort bara (erschaffen) bedeutet, bedeutet das Wort im Aramäischen Sohn. Bereschit verweistauf den Vater – das Offenbarte, bara auf den Sohn – das Unzugängliche, Verborgene. Es gibt eine Stelle im Talmud, die zum Verständnis dieses Fragments des Soharund der Worte Jeschuas, die Matthai zitiert, beitragen kann:

Mem (מ) offen und mem (ם) geschlossen (was bedeutet, dass der Buchstabe mem, wenn er am Anfang und in der Mitte eines Wortes geschrieben wird, von unten offen ist, und am Ende des Wortes ist er von allen Seiten geschlossen). Die Aussage ist offen, die Aussage ist verborgen.“ Raschi erklärt das so: „Es gibt Dinge, über die man sprechen kann, und es gibt Dinge, über die man nicht sprechen kann, wie die Lehre von der Herrlichkeit Gottes“. Diese Parallele wird durch den Sohar selbst verstärkt, wo der Endbuchstabe mem  (ם)oft einen Schoß symbolisiert, der nicht gebiert oder nicht gebären kann, etwas Verschlossenes, das dem Verständnis unzugänglich ist. So wird beispielsweise in Tikunej Sohar (50) von der Unzugänglichkeit und Verschlossenheit des letzten geschlossenen mem gesprochen, das denSamen der höchsten und endgültigen Korrektur der Welt beherbergt.

Hier spricht Jeschua über seine Bestimmung, über seine Rolle im Plan des Höchsten und weist darauf hin, dass er die einzige Quelle der Offenbarung Gottes ist, die den Weisen und Gebildeten verborgen, aber für die Kinder offen ist. Jeschua fährt dann mit seiner Rede fort, indem er auf sich selbst als Weisheit hinweist und offensichtlich im Namen der Weisheit spricht:

28. Kommt her zu mir, alle ihr Mühseligen und Beladenen! Und ich werde euch Ruhe geben.

29. Nehmt auf euch mein Joch, und lernt von mir! Denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig, und »ihr werdet Ruhe finden für eure Seelen «;

30. denn mein Joch ist sanft, und meine Last ist leicht.

Für Jeschuas Zeitgenossen waren diese Worte eine enge Parallele zu dem, was ben Sira sagte:

„Kommt zu mir, ihr, die ihr mich begehrt, und werdet gesättigt von meinen Früchten; denn die Erinnerung an mich ist süßer als Honig, und der Besitz von mir ist angenehmer als eine Honigwabe. Wer von mir isst, wird noch hungern, und wer von mir trinkt, wird noch dürsten. Wer auf mich hört, wird nicht zu Schanden werden, und die mit mir arbeiten, werden nicht sündigen“.

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