KAPITEL 21
1. Und als sie sich Jerusalem näherten und nach Betfage kamen, an den Ölberg, da sandte Jeschua zwei Jünger
2. und sprach zu ihnen: Geht hin in das Dorf, das euch gegenüberliegt; und sogleich werdet ihr eine Eselin angebunden finden und ein Fohlen bei ihr. Bindet sie los und führt sie zu mir!
3. Und wenn jemand etwas zu euch sagt, so sollt ihr sprechen: Der Herr braucht sie, und sogleich wird er sie senden.
4. Dies aber ist geschehen, damit erfüllt wurde, was durch den Propheten geredet ist, der spricht:
5. »Sagt der Tochter Zion: Siehe, dein König kommt zu dir, sanftmütig und auf einer Eselin reitend, und ⟨zwar⟩ auf einem Fohlen, dem Jungen eines Lasttiers.«
6. Als aber die Jünger hingegangen waren und getan hatten, wie Jeschua ihnen aufgetragen,
7. brachten sie die Eselin und das Fohlen und legten ihre Kleider auf sie, und er setzte sich darauf.
8. Und eine sehr große Volksmenge breitete ihre Kleider aus auf den Weg, andere aber hieben Zweige von den Bäumen und streuten sie auf den Weg.
9. Die Volksmengen aber, die vor ihm hergingen und nachfolgten, riefen und sprachen: Hosanna dem Sohn Davids! Gepriesen ⟨sei⟩, der da kommt im Namen des Herrn! Hosanna in der Höhe!
10. Und als er in Jerusalem einzog, kam die ganze Stadt in Bewegung und sprach: Wer ist dieser?
11. Die Volksmengen aber sagten: Dieser ist Jeschua, der Prophet, der von Nazareth in Galiläa.
Betfage (im Original bejt fagi – Haus der unreifen Feigen) lag in der Nähe des Tempelbergs, auf dem Ölberg. Vom Standpunkt der Halacha aus galt dieser Ort als Teil Jerusalems, und in ihm wurden viele Elemente des Tempeldienstes vorbereitet:
„Bejt Fagi ist ein Ort in Jerusalem, außerhalb des Tempelbergs, wo die Brote für den Tempeldienst gebacken wurden. Und wahrscheinlich stammt der Name Beit Fagi vom Wort patbag (Maimonides führt hier eine Volksetymologie an) – Speise (Daniel 1,8: patbag melachim – königliche Speise). Und obwohl es sich außerhalb der Tempelumzäunung befindet, werden die Brote wegen der Nähe zum Tempel durch seine Heiligkeit geheiligt“ (Maimonides, Kommentar zur Mischna Menachot 7,3).
Offenbar wurde erwartet, dass der Maschiach seinen Weg nach Jerusalem von diesem Ort aus beginnen würde. Kurz vor den hier beschriebenen Ereignissen ereignete sich die Geschichte mit dem Ägypter, der sich für den Maschiach hielt. So berichtet Flavius darüber: „Die Taten der Mörder erfüllten also die ganze Stadt mit Schrecken. Inzwischen versuchten verschiedene Betrüger und Verführer, das Volk zu bewegen, ihnen in die Wüste zu folgen, wo sie ihm allerlei Wunder und außergewöhnliche Dinge versprachen, die angeblich nach dem Willen des Ewigen geschehen sollten. Viele glaubten das und büßten schwer für ihre Torheit, denn Felix holte sie zurück und bestrafte sie. Um die gleiche Zeit kam ein Ägypter nach Jerusalem, der sich als Prophet ausgab; er überredete das einfache Volk, mit ihm zum Ölberg zu gehen, der fünf Stadien von der Stadt entfernt liegt. Dort versprach er den leichtgläubigen Juden zu zeigen, wie auf seinen Wink hin die Mauern Jerusalems einstürzen würden, so dass sie, wie er sagte, frei in die Stadt gehen könnten. Als Felix davon erfuhr, befahl er den Truppen, sich zu bewaffnen; dann zog er an der Spitze einer großen Abteilung Reiter und Fußsoldaten von Jerusalem aus und überfiel die Anhänger des Ägypters. Dabei tötete er vierhundert Mann und nahm zweihundert lebendig gefangen. Dem Ägypter aber gelang es, aus der Schlacht zu fliehen und zu verschwinden. Die Räuber aber begannen wiederum, das Volk zum Krieg gegen die Römer aufzustacheln, indem sie sagten, man sollte ihnen nicht gehorchen. Dabei plünderten und verbrannten sie die Dörfer derer, die sich ihnen nicht anschlossen“ (Jüdische Altertümer 20,8,6).
„Eine noch schlimmere Geißel für die Juden war der falsche Prophet aus Ägypten. In Judäa kam ein Betrüger an, der sich als Prophet ausgab und tatsächlich für einen Boten des Himmels gehalten wurde. Er sammelte etwa 30.000 Irregeführte um sich, zog mit ihnen von der Wüste auf den sogenannten Ölberg, von wo aus er gewaltsam in Jerusalem eindringen, die römische Garnison erobern und mit Hilfe der Leibwächter, die ihn umgaben, über das Volk herrschen wollte. Felix kam jedoch der Ausführung dieses Plans zuvor, indem er ihm an der Spitze der römischen Schwerbewaffneten entgegentrat; auch das ganze Volk nahm an der Verteidigung teil. Es kam zu einer Schlacht; der Ägypter floh nur mit wenigen seiner Vertrauten, die meisten seiner Anhänger aber fielen oder wurden gefangen genommen; die übrigen zerstreuten sich, und jeder suchte Zuflucht in seiner Heimat“ (Jüdischer Krieg 2,13,5).
Matthai beginnt die Vorbereitung für den Aufstieg nach Jerusalem ebenfalls in Bejt Fage, weshalb das Evangelium auch schon im ersten Teil der Erzählung, wo es um die Vorbereitung der Eselin und des Eselsfohlens geht, von der Erfüllung der Prophezeiung spricht. Der Tradition zufolge durfte ein junges Eselsfohlen nicht getrennt von der Mutter verkauft und übergeben werden, und die Mutter dementsprechend nicht ohne das Fohlen. Darüber sagt die Mischna: „Wer eine Eselin verkauft, verkauft auch das Fohlen, wer eine Kuh verkauft, verkauft nicht das Kalb (weil die Kuh wegen der Milch verkauft werden kann, die Eselin aber nicht)“ (Mischna Bawa Batra 5,3). Im Lichte dieser Mischna konnte das Fohlen nicht getrennt von der Eselin genommen werden. Diese Mischna kann auch als Illustration dafür dienen, dass das Wort chamor (Esel), das ein Wort männlichen Geschlechts ist, zur Bezeichnung einer Eselin verwendet werden kann, obwohl im Hebräischen die Eselin gewöhnlich aton genannt wird.
In der jüdischen Tradition wurde auch die Prophezeiung Sacharjas, dass der Maschiach auf einem Esel kommen soll als Symbol der Einfachheit und Bescheidenheit verstanden: „Die Rabbinen sagen: „Er bindet seinen Esel an den Weinstock und das Fohlen seiner Eselin an die edle Rebe“ (Bereschit 49,11). Wenn der kommt, von dem gesagt ist: „Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer, ein Armer und reitet auf einem Esel, auf einem Fohlen der Eselin“ (Sacharja 9,9); „Er wäscht sein Kleid in Wein“ (Bereschit 49,11) – Er korrigiert ihr Verständnis der Torah. „…und seinen Mantel in Traubenblut“ (ebenda) – Er wird ihre Fehler korrigieren“ (Bereschit Rabba 98,9).
„König Schabur sagte zu Schmuel: „Der Maschiach wird auf einem Esel kommen? Ich werde ihm von den Pferden schicken, die ich habe!“ Schmuel antwortete ihm: „Hast du denn ein hundertfarbiges Pferd?“ (Sanhedrin 98a).
Ein wichtiger Teil der Beschreibung der Ereignisse ist auch die Tatsache, dass die Jünger ihre Kleider für Jeschua auf die Eselin legten und er sich darauf setzte. Hier wird eine Anspielung auf 2. Melachim (9,13) gesehen: „Da eilten sie und nahmen ein jeder sein Kleid und legten es unter ihn auf die bloßen Stufen und bliesen mit dem Horn und sprachen: Jehu ist König geworden!“
Im Midrasch Jalkut Schimoni findet sich eine Erzählung darüber, wie Mosche gekrönt wurde, als er sich vor dem Pharao versteckte: „Und sie sprachen: „Lasst uns einen König über uns setzen und die Stadt belagern, bis sie in unsere Hände fällt“. Und jeder zog seine Kleider aus, und sie breiteten sie auf dem Boden aus, so dass sich ein Podest aus Kleidern ergab, und Mosche setzte sich darauf. Und sie begannen, ins Horn zu blasen und zu rufen: „Es lebe der König, es lebe der König!“ Und das ganze Volk schwur, ihm eine Äthiopierin, die Frau des Königs Kokonos, zur Frau zu geben. Und das ganze Volk schwor ihm Treue und machte ihn zum König“ (Jalkut Schimoni 168).
Ebenso sind auch die Palmzweige Teil des Empfangs eines Siegers und Befreiers: „Am dreiundzwanzigsten Tag des zweiten Monats im Jahr 171 zogen die Israeliten mit Lobgesang und Palmzweigen, beim Spiel von Leiern, Zimbeln und Saiteninstrumenten, mit Psalmen und Lobliedern dort ein; denn ein großer Feind war aus Israel vertilgt“ (1. Makkabäer 13,51).
„Am gleichen Tage aber, an welchem das Heiligtum von den Fremden entweiht worden war, geschah auch die Reinigung des Heiligtums, am fünfundzwanzigsten Tage desselben Monats, das ist der Monat Kislew. Und sie verbrachten acht Tage damit, sich nach dem Vorbild des Laubhüttenfestes zu freuen, gedenkend, wie sie noch vor kurzem während des Laubhüttenfestes auf den Bergen und in den Höhlen wie die wilden Tiere ihr Leben zugebracht hatten. Darum trugen sie mit Laub umwundene Stäbe und blühende Reiser und Palmzweige und sangen Loblieder dem zu Ehren, der die Reinigung des Ihm geheiligten Ortes hatte gelingen lassen. Sie geboten auch durch eine gemeinsame Verordnung und Bestimmung der ganzen jüdischen Gemeinde, dass man diese Tage alljährlich feiere“ (2. Makkabäer 10,5-8).
Der Ausruf Hosianna! (ursprünglich auf Hebräisch hoschia na) bedeutet wörtlich Rette uns! und ist ein Zitat aus Tehilim 118. Nach dem Midrasch entspricht diese Situation dem Tag der letzten Erlösung: „Dies ist der Tag, den der Herr macht; lasst uns freuen und fröhlich an ihm sein. O Herr, hilf! O Herr, lass wohlgelingen! Gesegnet sei, der da kommt im Namen des Herrn! Wir segnen euch, die ihr vom Hause des Herrn seid“ (Tehilim 118,24-26). Die früheren Erlösungen sind dieser Erlösung nicht ähnlich, denn nach den früheren Erlösungen gab es Knechtschaft, aber nach dieser Erlösung wird es keine Knechtschaft mehr geben. Wie geschrieben steht: „Jauchze und rühme, du Tochter Zion; denn der Heilige Israels ist groß bei dir“ (Jeschajah 12,6). Die Bewohner Jerusalems sagen (den Erlöser empfangend) innerhalb der Stadt: O Herr, hilf! (hoschia na!) Die Bewohner Judäas sagen außerhalb der Stadt: „O Herr, lass gelingen!“ Die Bewohner Jerusalems sagen innerhalb der Stadt: „Gesegnet sei, der da kommt im Namen des Herrn!“ Die Bewohner Judäas sagen: „Wir segnen euch vom Hause des Herrn!“ Die Bewohner Jerusalems sagen innerhalb der Stadt: „Gott der Herr erleuchte uns!“ Die Bewohner Judäas sagen außerhalb der Stadt: „Bindet das Opfer mit den Stricken und führt es zu den Hörnern des Altars!“ Die Bewohner Jerusalems sagen innerhalb der Stadt: „Du bist mein Gott, und ich danke Dir!“ Die Bewohner Judäas sagen: „Mein Gott, ich will Dich preisen!“ Die Bewohner Judäas und die Bewohner Jerusalems öffnen den Mund und erheben Lob zum Höchsten und sprechen: „Danket dem Herrn; denn Er ist freundlich, und Seine Güte währet ewiglich“ (Midrasch Tehilim 118,22 (24)).
So fügen sich alle Details der Erzählung des Matthai zu einem einheitlichen Gesamtbild zusammen – der Beginn der Vorbereitungen zur Krönung des Königs. Deshalb spricht Matthai schon vor der Beschreibung des eigentlichen Einzugs in Jerusalem von der Erfüllung der Prophezeiung des Sacharja.
12. Und Jeschua trat in den Tempel ein und trieb alle hinaus, die im Tempel verkauften und kauften, und die Tische der Wechsler und die Sitze der Taubenverkäufer stieß er um.
13. Und er spricht zu ihnen: Es steht geschrieben: »Mein Haus wird ein Bethaus genannt werden«; ihr aber macht es zu einer »Räuberhöhle«.
In seinen letzten Jahren verwandelte sich der Tempel in vielerlei Hinsicht in eine kommerzielle Einrichtung. Aus erhaltenen Quellen geht hervor, dass die Tiere für die Tempelopfer ausschließlich im Tempel selbst erworben werden mussten und mit einem Tempelsiegel versehen sein mussten. Die Preise konnten sehr hoch sein: „Es gab einen Fall, in dem ein Paar Tauben im Tempel für einen Golddenar verkauft wurde. Rabbi Schimon ben Gamliel sagte: „Bei diesem Tempel schwöre ich! Ich werde nicht zur Ruhe gehen, bis ich einen Preis von einem Silberdenar erhalte“ (Mischna Keritot 1,7).
Welche Art von Priestern es im Tempel gab, kann man aus folgendem Abschnitt erfahren:
„Mit vier Schreien schrie der Vorhof des Tempels:
Der erste: Geht hinaus von hier, ihr Söhne von Eli, die ihr den Tempel verunreinigt.
Der zweite: Geh hinaus von hier, Issachar aus dem Dorf Barkaj, der sich selbst achtet und den Himmel nicht achtet! Was tat er? Er verrichtete den Tempeldienst in Seidenhandschuhen (aus Ekel).
Der dritte: Öffnet euch, Tore, und Ischmael ben Fibai soll eintreten, um den Tempeldienst zu verrichten (er erhielt die Ernennung zum Priesteramt von Agrippa, er kaufte es mit Unterstützung einflussreicher Freunde).
Der vierte: Öffnet euch, Tore, und Jochanan ben Nadwai, der Schüler des Pinkas, soll eintreten und sich den Bauch mit den Heiligtümern des Himmels vollschlagen. Denn man sagte von ihm, dass er bei einer Mahlzeit dreihundert Kälber aß und dreihundert Fässer Wein trank und die Mahlzeit mit vierzig Sea (Sea – ein Hohlmaß von etwa 19 Litern) beendete“ (Psachim 57a).
Matthai erzählt von der Vertreibung der Händler aus dem Tempel und entwickelt den Gedanken der Erfüllung der Prophezeiung Sacharjas. Das Buch des Propheten Sacharja endet mit den Worten: „Und es wird an jenem Tag kein Kanaaniter mehr im Haus des Herrn Zwaoth sein“. Unter dem Kanaaniter wurde traditionell ein Händler verstanden. So übersetzt auch das Targum: „Es wird keinen Verkauf geben“. Ein Beispiel für dieses Verständnis des Wortes Kanaaniter findet sich auch im Buch des Propheten Jeschajah (23,8): „…die Fürsten, die Kaufleute – die Berühmtheiten der Erde“.
14. Und es traten Blinde und Lahme in dem Tempel zu ihm, und er heilte sie.
15. Als aber die Hohenpriester und die Schriftgelehrten die Wunder sahen, die er tat, und die Kinder, die im Tempel schrien und sagten: Hosanna dem Sohn Davids!, wurden sie unwillig
16. und sprachen zu ihm: Hörst du, was diese sagen? Jeschua aber sprach zu ihnen: Ja, habt ihr nie gelesen: »Aus dem Mund der Unmündigen und Säuglinge hast du dir Lob bereitet«?
17. Und er verließ sie und ging zur Stadt hinaus nach Betanien und übernachtete dort.
Da ein Blinder das Opfer nicht sehen kann, war er nach Ansicht vieler Rabbiner nicht verpflichtet, dreimal im Jahr in den Tempel zu kommen und war von den Tempelopfern befreit. Nach Ansicht von Rabbi Jehuda durften Blinde den Tempelhof nicht einmal betreten: „Wer unrein ist, ist nicht würdig, den Tempelhof zu betreten, wie geschrieben steht: „…und dorthin sollst du kommen… und dorthin sollt ihr bringen“ (Dwarim 12,5-6). Aus der Doppelung folgt, dass es um denjenigen geht, der würdig ist, den Hof zu betreten, und der Unreine ist nicht würdig, den Hof zu betreten. Rabbi Jehuda sagt dazu: „Auch der Blinde, denn es steht geschrieben: „er wird sehen“ – schließt den Blinden aus“ (Tosefta Chagiga 1,1). Daher ist die Aufmerksamkeit, die Jeschua in diesem Fall den Blinden schenkt, ein außergewöhnliches Ereignis. Faktisch verwandelt sich der Tempel von einem Ort des Opferns in einen Ort der Heilung.
Kinder durften sich im Tempel aufhalten, wenn sie bereits in der Lage waren, die entsprechenden Gebote zu erfüllen: „Ein Knabe… der in der Lage ist, den Lulaw zu schütteln, ist verpflichtet, das Gebot des Lulaws zu erfüllen; der in der Lage ist, sich in einen Tallit mit Zizijot zu kleiden – kleidet sich in einen Tallit mit Zizijot; der in der Lage ist zu sprechen – den lehrt der Vater das Schma-Gebet und die Torah und die heilige Sprache. Andernfalls wäre es besser für ihn, nicht geboren zu sein. Ein Knabe …der in der Lage ist, Brot in der Größe einer Olive zu essen – den entfernt man auf einen Abstand von vier Ellen (wegen seiner Unreinheiten); der in der Lage ist, gebratenes Fleisch in der Größe einer Olive zu essen – der wird auch gezählt, wenn man das Pessach Lamm schlachtet. Rabbi Jehuda sagt: „Niemals schlachtet man für ihn ein Opfer, bis er gelernt hat, zwischen Essbarem und Ungenießbarem zu unterscheiden: Man gibt ihm ein Ei – er nimmt es; man gibt ihm einen Stein – er wirft ihn weg“ (Tosefta Chagiga 1,2).
Die Empörung der Pharisäer wird wahrscheinlich dadurch ausgelöst, dass Jeschua die Ehrungen von kleinen Kindern annimmt, die noch nicht in der Lage sind, Entscheidungen über das Königreich zu treffen. Jeschuas Antwort enthält eine Anspielung auf die messianische Bedeutung des Geschehens. Es war allgemein anerkannt, dass die letzte Erlösung ähnlich wie der Auszug aus Ägypten ablaufen würde, und dieser Auszug wurde der Tradition zufolge von Gesängen der Kinder begleitet.
„Rabbi Akiwa erklärte: „Als Israel durch das Meer zog, wollten sie den Höchsten preisen, und der Heilige Geist kam auf sie herab, und sie sangen. Sie sangen, so wie in der Schule eines der Kinder das Gebet spricht und alle im Chor wiederholen (das heißt, der Geist leitet das Gebet durch einen Menschen). Mosche sagte: „Ich singe dem Herrn“, und Israel wiederholte nach ihm: „Ich singe dem Herrn“; Mosche sagte: „Meine Stärke und mein Lobgesang ist der Herr!“ Und Israel wiederholte nach ihm: „Meine Stärke und mein Lobgesang ist der Herr!“ Rabbi Lasar, Sohn des Rabbi Jossi des Galiläers, sagt: „Wie ein Erwachsener, der das Hallel in der Synagoge liest und alle im Chor antworten. Mosche sagte: „Ich singe dem Herrn“, und Israel antwortete: „Ich singe dem Herrn“. Mosche sagte: „Meine Stärke und mein Lobgesang ist der Herr!“, und Israel antwortete: „Ich singe dem Herrn“. Mosche sagte: „Das ist mein Gott, ihn will ich preisen!“, und Israel antwortete: „Ich singe dem Herrn“. Rabbi Nehemia sagt: „Wie diejenigen, die das Schma-Gebet in der Synagoge sprechen, denn es heißt: „Und sie redeten und sprachen“ (Schemot 15,1). Diese Doppelung lehrt uns, dass Mosche den Mund öffnete und zu sprechen begann und Israel einfiel und mit ihm endete. Mosche sagte: „Damals sang Mosche“, und Israel fiel ein und sagte: „Ich singe dem Herrn“, Mosche sagte: „Meine Stärke und mein Lobgesang ist der Herr!“ Und Israel fiel ein und fuhr fort (zusammen mit ihm): „Das ist mein Gott, ihn will ich preisen!“ Rabbi Jossi der Galiläer sagte: „Als das Volk Israel durch das Meer zog und seine Feinde umkommen sah, wurden alle vom Geist erfüllt und sangen das Lied, sogar das Neugeborene zwischen den Knien der Mutter, sogar der Säugling an der Brust, denn sie sahen die Schechina des Höchsten, die sich ihnen offenbarte – das Neugeborene streckte den Hals und der Säugling riss den Mund von der Brust seiner Mutter, und alle sprachen wie aus einem Munde das Lied“. Rabbi Meir sagt: „Sogar die Ungeborenen in den Leibern ihrer Mütter priesen den Höchsten, und die Säuglinge an der Brust, wie es heißt: “In den Versammlungen (oder Chören) preiset Gott den Herrn, die ihr von Israel herstammt!“ Und es heißt: „Aus dem Munde der kleinen Kinder und Säuglinge hast Du Lob bereitet“ (Tosefta 6,2-4).
18. Des Morgens früh aber, als er in die Stadt zurückkehrte, hungerte ihn.
19. Und als er einen Feigenbaum an dem Weg sah, ging er auf ihn zu und fand nichts an ihm als nur Blätter. Und er spricht zu ihm: Nie mehr komme Frucht von dir in Ewigkeit! Und sogleich verdorrte der Feigenbaum.
Matthais‘ Erzählung, die mit Bejt Fage (dem Ort der unreifen Feigen) begann, wird mit der Geschichte vom Feigenbaum fortgesetzt, der keine Frucht bringt. Der Feigenbaum und seine Früchte werden im Tanach und in der rabbinischen Literatur mit der Torah und der Gerechtigkeit verglichen.
„Rabbi Chija bar Aba sagte im Namen von Rabbi Jochanan: „Was bedeutet das, was geschrieben steht: „Wer den Feigenbaum bewacht, der wird seine Früchte essen?“ (Mischlej 27,18). Wie der Feigenbaum die ganze Zeit, solange ein Mensch ihn bewacht, Früchte auf ihm findet, so bringt die Torah, so lange man sich mit ihr beschäftigt, Früchte“ (Eruwin 54a).
„Rabbi Chija lernte mit seinen Schülern unter einem Feigenbaum. Und jeden Morgen stand der Besitzer des Feigenbaums auf und kam bei Tagesanbruch, um die Feigen zu sammeln. Sie sagten: „Lasst uns den Ort wechseln, denn vielleicht verdächtigt er uns“ (dass wir seinen Baum abernten). Am nächsten Morgen kam er und fand sie nicht unter seinem Baum. Er ging hin, fand sie und sagte: „Ich hatte ein Gebot in meiner Hand, und ihr habt es mir weggenommen!“ Sie sagten zu ihm: „Das sei fern!“ Er aber sagte zu ihnen: „Warum seid ihr von meinem Feigenbaum weggezogen?“ Sie antworteten: „Wir dachten, dass du uns vielleicht verdächtigst“. Er sagte zu ihnen: „Das sei fern! Aber ich weiß, wenn man die Feigen nach Sonnenaufgang an den Zweigen lässt, werden sie wurmstichig. So ist es mir einmal passiert“. Die Weisen sagten: „Wie der Besitzer des Feigenbaums seine Zeiten kennt und weiß, wann er seine Früchte ernten muss, so weiß auch der Herr der Welt, wann es Zeit ist, die Gerechten aus der Welt zu holen“ (Kohelet Rabba 5,11).
Eine weitere interessante Illustration zur Erzählung des Matthai sehen wir im Traktat Chagiga: „Rabbi Jochanan weinte, als er las: „Siehe, auch seinen Heiligen traut Er nicht“ (Jow 15,15). „Wenn Er seinen Heiligen nicht traut, wem traut Er dann?“ Einmal traf er einen Mann, der Feigen von einem Feigenbaum sammelte. Der Mann ließ die reifen Früchte auf dem Baum und sammelte nur die unreifen. Rabbi Jochanan sagte: „Sind diese nicht besser?“ Der Mann aber antwortete: „Ich nehme die Früchte für unterwegs: die reifen werden nicht halten, aber diese werden halten“. Und so heißt es: Siehe, auch seinen Heiligen traut er nicht (das heißt, der Höchste hütet seine Kinder, von Jugend an nimmt er sie in seine Obhut)“ (Chagiga 5a).
Die Geschichte mit dem Feigenbaum zeigt, welche Gefahr Israel droht wegen der falschen Einstellung zu denen, die auf der untersten Stufe der gesellschaftlichen Hierarchie stehen.
20. Und als die Jünger es sahen, verwunderten sie sich und sprachen: Wie ist der Feigenbaum sogleich verdorrt?
21. Jeschua aber antwortete und sprach zu ihnen: Wahrlich, ich sage euch: Wenn ihr Glauben habt und nicht zweifelt, so werdet ihr nicht allein das mit dem Feigenbaum Geschehene tun, sondern wenn ihr auch zu diesem Berg sagen werdet: Hebe dich empor und wirf dich ins Meer!, so wird es geschehen.
22. Und alles, was immer ihr im Gebet glaubend begehrt, werdet ihr empfangen.
23. Und als er in den Tempel kam, traten, als er lehrte, die Hohepriester und die Ältesten des Volkes zu ihm und sprachen: In welcher Vollmacht tust du diese Dinge? Und wer hat dir diese Vollmacht gegeben?
24. Jeschua aber antwortete und sprach zu ihnen: Auch ich will euch ein Wort fragen, und wenn ihr es mir sagt, so werde auch ich euch sagen, in welcher Vollmacht ich diese Dinge tue.
25. Woher war die Taufe des Johanans? Vom Himmel oder von Menschen? Sie aber überlegten bei sich selbst und sprachen: Wenn wir sagen: vom Himmel, so wird er zu uns sagen: Warum habt ihr ihm denn nicht geglaubt?
26. Wenn wir aber sagen: von Menschen, so haben wir die Volksmenge zu fürchten, denn alle halten Johanan für einen Propheten.
27. Und sie antworteten Jeschua und sprachen: Wir wissen es nicht. Da sagte auch er zu ihnen: So sage auch ich euch nicht, in welcher Vollmacht ich diese Dinge tue.
Es gab den Begriff zaken mamre (widerspenstiger Ältester). Er bezog sich auf jeden Lehrer, der praktische Anweisungen gab, die nicht der allgemein anerkannten Halacha entsprachen: „Das sind diejenigen, die durch Erwürgen bestraft werden: wer Vater und Mutter schlägt; wer eine Seele in Israel stiehlt; der widerspenstige Älteste; der falsche Prophet; der Prophet der falschen Götter; wer zu einer verheirateten Frau eingeht; die gegen die Tochter des Kohen und gegen den, der mit ihr ist, verleumden (das heißt, diejenigen, die die Tochter des Kohen verleumdet haben, dass sie Ehebruch begangen hat oder jemanden, dass er mit ihr Ehebruch begangen hat), sollen nicht bestraft werden, es sei denn, es besteht eine Verschwörung zwischen ihnen; … der widerspenstige Lehrer, der sagt: „So lehre ich und so lehren die andere“. Da Jeschua am Vortag während seines Aufenthalts im Tempel die Händler vertrieben und den Handel im Tempel praktisch verboten hatte, konnten die Ältesten ihn beschuldigen, ein widerspenstiger Lehrer, ein falscher Prophet oder ein Prophet eines falschen Gottes zu sein. Deshalb stellen die Ältesten ihm die Frage, mit welcher Vollmacht er dies tut.
Jeschua antwortet ihnen gemäß der Tradition der rabbinischen Rhetorik. „Der Bösewicht Tineius Rufus fragte Rabbi Akiwa: „Warum ist der Schabbat als Tag unter den Tagen auserwählt (das heißt, warum gerade der Schabbat zum heiligen Tag geworden ist)?“ Rabbi Akiwa fragte: „Warum ist der Mann als Mann aus den Männern erwählt worden (das heißt, warum gerade du in diese Position gekommen bist)?“ Tineius Rufus antwortete: „So wollte es der Herr“. Rabbi Akiwa sagte: „Auch der Schabbat ist der Wille des Herrn“. Tineius Rufus sagte: „Und wie kann man das überprüfen? Vielleicht ist es ein ganz anderer Tag?“ Rabbi Akiwa sagte: „Der Fluss Sambation bestätigt es (ein Fluss, der am Schabbat aufhört zu fließen), der Geisterbeschwörer bestätigt es (denn die Geister steigen am Schabbat nicht auf), das Grab deines Vaters bestätigt es (denn das Grab rauchte an allen Tagen und hörte am Schabbat auf zu rauchen)“ (Sanhedrin 65b).
„Ein Heide fragte Rabbi Jochanan: „Ist das nicht alles Zauberei, was ihr macht? Denn wenn jemand bei euch durch die Berührung eines Toten unrein ist, dann habt ihr eine Kuh, die ihr verbrennt, deren Asche ihr in Wasser auflöst und den Unreinen damit besprengt und sagt: „Du bist rein“. Rabbi Jochanan antwortete ihm: „Ist jemals ein unreiner Geist in dich gefahren?“ Er antwortete: „Nein!“ – „Hast du je gesehen, wie ein unreiner Geist in einen Menschen fährt?“ Und er antwortete: „Ja“ – „Was macht ihr mit diesen Menschen?“ – „Wir sammeln Räucherwerk und räuchern ihn, und der Geist läuft weg!“ Er sagte zu ihm: „Mögen deine Ohren hören, was dein Mund spricht“ (das heißt, dieser unreine Geist gleicht der Unreinheit, und ihr selbst vertreibt ihn mit Räucherwerk, indem ihr den Menschen sozusagen mit Räucherwerk reinigt). Als aber der Heide gegangen war, fragten die Schüler: „Rabbi, du hast ihn mit dieser Antwort weggeschickt, aber uns, die wir verstehen, dass diese Antwort nicht ausreicht, was antwortest du uns?“ Er sagte: „Bei eurem Leben schwöre ich, dass weder der Tote von sich aus unrein macht noch die Asche von sich aus reinigt, sondern das ist der Wille des Höchsten“ (Tanchuma Chukat 26).
„Die Tochter des Kaisers fragte Rabbi Jehoschua: „Wie ist eine so tiefe Weisheit in einem so abscheulichen Gefäß enthalten?“ Er antwortete ihr: „Und wie bewahrt dein Vater edlen Wein in unscheinbaren Tongefäßen auf?“ – „Wo soll er ihn sonst aufbewahren?“ – „Er soll ihn in silbernen und goldenen Gefäßen aufbewahren!“ Sie ging zu ihrem Vater und sagte es ihm. Er befahl, den Wein in goldene und silberne Gefäße zu gießen. Der ganze Wein wurde sauer. Da sagte er zu ihr: „Meine Tochter, wer hat dich das gelehrt?“ Sie sagte: „Rabbi Jehoschua“. Er rief ihn und fragte, warum er das getan habe, und der Rabbi erzählte, wie es sich zugetragen hatte. Der Kaiser wandte ein: „Aber es gibt doch auch Schöne, die lernen!“ – „Wären sie schlichter im Aussehen, würden sie mehr lehren“ (Taanit 7a).
Es ist wichtig, auf die Tatsache zu achten, dass sowohl Jeschua selbst als auch die Weisen zu solchen rhetorischen Mitteln greifen, wenn es notwendig ist, etwas zu erklären, das nach dem Willen Gottes geschieht und von nichts anderem abhängt.
28. Was meint ihr aber ⟨hierzu⟩? Ein Mensch hatte zwei Kinder, und er trat hin zu dem ersten und sprach: Kind, geh heute hin, arbeite im Weinberg!
29. Der aber antwortete und sprach: Ich will nicht. Danach aber gereute es ihn, und er ging hin.
30. Und er trat hin zu dem zweiten und sprach ebenso. Der aber antwortete und sprach: Ich ⟨gehe⟩, Herr; und er ging nicht.
31. Wer von den beiden hat den Willen des Vaters getan? Sie sagen: Der erste. Jeschua spricht zu ihnen: Wahrlich, ich sage euch, dass die Zöllner und die Huren euch vorangehen in das Reich Gottes.
32. Denn Johanan kam zu euch im Weg der Gerechtigkeit, und ihr glaubtet ihm nicht; die Zöllner aber und die Huren glaubten ihm; euch aber, als ihr es saht, gereute es auch danach nicht, sodass ihr ihm geglaubt hättet.
Das Gleichnis, das Jeschua den Weisen erzählt, erinnert sie an ihre besondere Beziehung zum Höchsten. Es gibt ein ähnliches Gleichnis in der rabbinischen Tradition:
„Mein Sohn, wenn du für deinen Nächsten gebürgt hast...“ (Mischlej 6,1). Das ist die Bürgschaft, die Israel vor dem Angesicht des Höchsten geleistet hat. Denn als der Höchste die Torah gab, wollte kein Volk der Welt sie annehmen außer Israel. Ein Gleichnis von einem König, der ein Feld hatte und es einem seiner Vasallen geben wollte. Er rief einen von ihnen und sagte zu ihm: „Nimm dieses Feld!“ Aber er antwortete: „Ich habe nicht die Kraft, es zu bebauen!“ Und ebenso war es mit dem zweiten und dem dritten und dem vierten. Den fünften fragte er: „Wirst du das Feld von mir annehmen?“ Er antwortete: „Ja“ – „Zum Pflügen?“ Und er antwortete: „Ja“. Aber, nachdem er das Feld erhalten hatte, ging er hinein und grub es voller Gruben. Auf wen wird der König mehr zornig sein? Wird er nicht mehr auf den zornig sein, der es angenommen und verdorben hat, als auf den, der es nicht angenommen hat? So hat auch Israel, indem es sagte: „Alles, was der Herr sagt, wollen wir tun“, vor dem Höchsten gebürgt. Wie vor einem Gericht ist er verpflichtet, auf Ihn zu hören, und wenn nicht, haftet es für die Bürgschaft“ (Schemot Rabba, Jitro 27).
Die Ältesten des Volkes betrachteten sich als Hüter der am Berg Sinai übernommenen Verpflichtungen, und die Blinden und Kinder galten nicht als würdig, die Gebote zu erfüllen. Das Gleichnis Jeschuas bringt diesen Widerspruch noch deutlicher zum Ausdruck. Diejenigen, die nach Ansicht der Ältesten nicht an der Bürgschaft beteiligt waren – hörten Johanan zu, und diejenigen, die ihn aufgrund der Bürgschaft hätten hören müssen, nahmen ihn nicht an. Dementsprechend werden sie für die Bürgschaft haften müssen.
33. Hört ein anderes Gleichnis: Es war ein Hausherr, der einen Weinberg pflanzte und einen Zaun darum setzte und eine Kelter darin grub und einen Turm baute; und er verpachtete ihn an Weingärtner und reiste außer Landes.
34. Als aber die Zeit der Früchte nahte, sandte er seine Knechte zu den Weingärtnern, um seine Früchte zu empfangen.
35. Und die Weingärtner nahmen seine Knechte, einen schlugen sie, einen anderen töteten sie, einen anderen steinigten sie.
36. Wiederum sandte er andere Knechte, mehr als die ersten; und sie taten ihnen ebenso.
37. Zuletzt aber sandte er seinen Sohn zu ihnen, indem er sagte: Sie werden sich vor meinem Sohn scheuen!
38. Als aber die Weingärtner den Sohn sahen, sprachen sie untereinander: Dieser ist der Erbe. Kommt, lasst uns ihn töten und sein Erbe in Besitz nehmen!
39. Und sie nahmen ihn, warfen ihn zum Weinberg hinaus und töteten ihn.
40. Wenn nun der Herr des Weinbergs kommt, was wird er jenen Weingärtnern tun?
41. Sie sagen zu ihm: Er wird jene Übeltäter übel umbringen, und den Weinberg wird er an andere Weingärtner verpachten, die ihm die Früchte abgeben werden zu ihrer Zeit.
Das zweite Gleichnis spricht von Aufrufen zur Umkehr. Und auch zu diesem Gleichnis gibt es eine Parallele in der rabbinischen Tradition.
„Ein Gleichnis von den königlichen Briefen, die von Bezirk zu Bezirk gehen, und in jedem der Bezirke empfängt man sie mit Zittern und liest sie. Bis die Briefe in einen der Bezirke kommen, wo man diese Briefe zerreißt und verbrennt. So auch Israel. Wenn der Höchste seine Boten zu den Völkern der Welt sendet, tun sie Buße und ziehen Sacktuch an und sitzen in Fasten und Gebet. Wie die Einwohner von Ninive, als der Prophet Jona ihnen predigte, Buße taten und fasteten. Und wenn ein Mensch unter den Steinen, aus denen sein Haus gebaut war, einen Stein hatte, den er unrechtmäßig erhalten hatte, riss er sein Haus nieder, um diesen Stein herauszunehmen und ihn reuevoll dem Besitzer zurückzugeben. Und deshalb fürchtete sich Jona, nach Ninive zu gehen, weil er wusste, dass die Heiden schnell zur Umkehr bereit sind und ihre Umkehr einen Vorwurf gegen das Volk Israel hervorbringen würde, das ein „hartherziges“ Volk ist. Und darüber heißt es: „Sooft Jehudi drei oder vier Spalten vorgelesen hatte, zerschnitt sie der König mit dem Schreibermesser und warf sie in das Feuer, das auf dem Kohlenbecken war, bis die ganze Rolle im Feuer auf dem Kohlenbecken vernichtet war“ (Jermijahu 36,23). Wie es heißt: „Seine Feinde sind Oberhaupt geworden“ (Ejcha 1,5). Und es heißt: „Er zerschnitt sie mit dem Schreibermesser und warf sie ins Feuer“. Als alle Anwesenden das sahen, riefen sie: „Wie schrecklich ist das Urteil, das über uns gefällt wurde“ (Tanchuma Schmini 9,9).
Das Gleichnis Jeschuas illustriert deutlicher die Situation, in der sich die Ältesten und Hohenpriester befinden: Indem sie den Aufruf zur Umkehr nicht annehmen, bringen sie das Urteil über das ganze Volk.
42. Jeschua spricht zu ihnen: Habt ihr nie in den Schriften gelesen: »Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, dieser ist zum Eckstein geworden; von dem Herrn her ist er dies geworden, und er ist wunderbar in unseren Augen«?
In der rabbinischen Tradition wurde dieser Vers im Licht der Ablehnung der Zurechtweisung oder der Missachtung der Zurechtweisung ausgelegt: „Rabbi Pinchas sagt: „Es gab dort (bei den Erbauern des Turms von Babel) keine Steine, um aus ihnen zu bauen. Und deshalb bauten sie aus Ziegeln. Sie brannten Ziegel und bauten aus ihnen den Turm, er war schon siebzig Meilen hoch. Sie machten Leitern, so dass derjenige, der hinaufstieg, mit den Ziegeln von Osten hinaufstieg und dann im Westen hinabstieg. Und wenn einer der Menschen fiel, achteten sie nicht darauf, aber wenn ein Ziegel fiel, beweinten sie ihn und sagten: „Wehe uns! Wann werden wir jetzt einen anderen Ziegelstein anstelle dieses haben?“ Der Erzvater Abraham ging dort vorbei und tadelte sie, als er ihr Verhalten sah. Aber sie verachteten seine Flüche, wie man einen Stein verachtet, und er verfluchte sie im Namen des Höchsten. Und darüber heißt es: „Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, ist zum Eckstein geworden“. Denn jeder Stein, der gut und stark ist, wird nur als Eckstein gesetzt“ (Pirkej de Rabbi Eliezer 24).
43. Deswegen sage ich euch: Das Reich Gottes wird von euch weggenommen und einer Nation gegeben werden, die seine Früchte bringen wird.
44. Und wer auf diesen Stein fällt, wird zerschmettert werden; aber auf wen er fallen wird, den wird er zermalmen.
Das Sprichwort, das Jeschua hier anführt, wurde in der Tradition auf die Beziehung zwischen Israel und den Völkern der Welt angewandt, aber in Jeschuas Auslegung spricht es von der Spaltung innerhalb der Gemeinde. Die einfachen Leute, die Blinden, die Kranken und sogar die Kinder werden ein Teil des Volkes Gottes, und wehe dem, der versucht, sie vom Volk Israel zu verdrängen.
„Rabbi Schimon, Sohn des Josse, Sohn des Lakunija, sagte: „In dieser Welt wird Israel mit Felsen verglichen, wie es heißt: „Vom Gipfel der Felsen sehe ich“ (kann auch übersetzt werden als von den Köpfen der Felsen) (Bemidbar 23,9), und auch „Schaut den Felsen an, aus dem ihr gehauen seid“ (Jeschajah 51,1); es wird mit Steinen verglichen, wie es heißt: „Von dort ist der Hirte und der Fels (wörtlich Stein) Israels“ (Bereschit 49,24); und es heißt noch: „…der von den Bauleuten verworfen wurde, ist zum Eckstein geworden“. Die Völker der Welt aber werden mit Tongefäßen verglichen, wie es heißt: „Und es wird zerbrechen, wie man einen Töpferkrug zerbricht, der ohne Schonung zertrümmert wird, so dass man von seinen Stücken nicht eine Scherbe findet, darin man Feuer hole vom Herd oder Wasser schöpfe aus einem Brunnen“ (Jeschajah 30,14). Fällt der Krug auf den Stein – wehe dem Krug, fällt der Stein auf den Krug – wehe dem Krug. So oder so, wehe dem Krug. So bekommt jeder, der sich Israel entgegenstellt, sein Teil“ (Ester Rabba 7,10).
Jeschua sagt, dass die Ältesten des Volkes zu Tongefäßen werden können, vom Dienst des Höchsten abfallen können, während die einfachen Leute zur Grundlage der Gemeinde Gottes werden können. Genau so verstehen auch die Ältesten seine Zurechtweisung.
45. Und als die Hohepriester und die Pharisäer seine Gleichnisse gehört hatten, erkannten sie, dass er von ihnen redete.
46. Und als sie ihn zu greifen suchten, fürchteten sie die Volksmengen, denn sie hielten ihn für einen Propheten.